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Montag, 11. Juni 2012

Der Weg zum Glück


West nach Ost. 4000 km. Ein Katzensprung im Tigerjet. Ein Ort mit wenig Beinfreiheit, aber mit viel Platz für Gedanken. Wir fliegen nach Melbourne. Die Stadt lebenswerteste Stadt der Welt. Die Stadt der Einwanderer. Die Stadt der Delikatessen. Die zwei Jungs ohne Plan. Mein Freund, dessen Name nicht genannt werden darf, versichert mir, dass er als ehemaliger Pfadfinder immer Heim gefunden hat. Zum Glück. Das Hostel liegt in St.Kilda, einem Vorort von Melbourne, bekannt für Musik, Kunst und Kuchen. Ja Kuchen, darauf komme ich später noch zu sprechen. Wie wir dort hinkommen wissen wir natürlich nicht, aber ich habe ja einen Ex- Pfadfinder an meiner Seite. Der hat zwar keinen Kompass zur Hand, aber kann zumindest den Busfahrer am Abholterminal fragen, wie wir dorthin kommen. Dieser lotzt uns dann direkt in die Hände von Jim, ein AirportShuttleBusfahrer, der uns gerne mitnimmt. Die Rechnung für den Transfer, ist auf Hans (Häääns) ausgestellt, weil der liebe Herr denkt Hansmeier sei Vor- und Nachname. Egal, das bedarf nach drei einhalb Stunden Flug  keiner Erklärung. Dann bin ich halt Hans. Hans begleitet mich ab diesem Zeitpunkt auf meiner Reise.

Wer kennt ihn nicht den Hans im Glück?

Die Glücksträhne beginnt damit, dass der ShuttleBus ohne Stop nach St. Kilda fährt und noch besser wird es, weil die Haltestelle genau vor unserem Hostel ist. TravellersMotelStKilda. Sechsbettzimmer. Nicht so schlecht wie erwartet, aber nicht zu vergleichen mit dem was die Reise noch so zu bieten hat. Unsere Glücksfee schläft im Bett nebenan. Man kommt ins Gespräch und die nette junge Dame mit dem charmanten bayrischen Dialekt, bewegt die faulen Jungs dazu am nächsten Tag mit ihr in die Stadt zu fahren. Kurzer Einschnitt. Die erste Nacht im Hostelbett war grauenhaft. Ich bin zu groß und das Bett war zu klein. Schlechte Kombination wenn man schlafen will. Zurück zum Stadtbesuch.
Mein Herz schlägt jedes mal höher, wenn ich in neue Städte komme. Jede Stadt erzählt ihre eigenen Geschichten, hat ihr eigenes Tempo, ihre Gerüche und Klänge. Alle Sinne werden aufeinmal voll beansprucht. Wir laufen umher schießen Fotos und genießen jeden Schritt in dieser faszinierenden Stadt. Von unserer netten Begleitung kriegen wir den Tipp mal im Internet nach günstigen Unterbringungen zu schauen, die meist komfortabler und preiswerter als Hostel sind. Das lasse ich mir nicht zweimal sagen. Ich finde auch etwas, zuerst bin ich etwas verwundert. Apartment. Mit Pool, Sauna und Jacuzzi. 22,50 pro Nacht. Genau meine Liga. Man kann es ja mal versuchen. Das Hostel haben wir zunächst nur für zwei Nächte gebucht, zum Glück. Denn das Glück lies wiedermal nicht lange auf sich warten. In der Tram ( Straßenbahn) auf dem Weg zurück nach St. Kilda versuchen wir das bayrische Madel dazu zu bringen uns mit ihrem Auto doch bis nach Sydney zu fahren, denn dort muss sie Auto für die Versicherung ummelden und für uns wäre es eine gute Gelegenheit noch etwas vom Land zu sehen. Zu früh gefreut. Es kommt alles anders. Eine zweite Glücksfee mischt sich zufällig in unser Gespräch ein und erklärt unserer noch zu überzeugenden Mitfahrgelegenheit, dass dieser Weg nicht nötig sei und man dies auch Telefonisch abhandeln könnte. Toll. Wir werden mit Sicherheit keine Freunde, es sei denn du hast für Morgen ein Sofa für uns zu Verfügung auf dem wir eine Nacht schlafen können? – Ja, hab ich.
Bingo.
Am Abend lernen wir noch das Nachtleben in St. Kilda kennen, haben Spaß, hören Jazz und essen Kuchen. Käsesahnetorte mit Schokoladensoße. Es ist elf Uhr Abends. Jeder gute Abend sollte mit einem Stück Kuchen beendet werden. Lecker. Die letzte Nacht im Hostel, wieder eine Qual. Aber es sieht ja nach Besserung aus. Wir verbringen den Tag in der Stadt, fahren InnerCityCircle, essen in einem malaysischem Restaurant zu Abend. Die nächste gute Nachricht folgt. Ihre Buchung ist bestätigt. Seasons Hotel, Melbourne. Ok?
Unsere Koffer hatten wir Tagsüber in unserer einstigen Hoffnung auf Mitfahrgelegenheit, einem silbernen Toyota, verstaut. Den Weg zur Wohnung der Glückfee Nummer 2 legen wir zu Fuß zurück. Es sind nur 15 Minuten, die sich wie es sich später noch herausstellt auch zu 45 Minuten werden können. Die junge Dame nimmt uns gerne auf, entlässt uns aber ganz schnell wieder da sie ihre Hausarbeit für die Uni noch fertigstellen muss. Wir haben damit kein Problem, laufen zurück zum Hostel und haben einen guten Abend. Wir trinken, lachen, machen Sachen.  Als alle ins Bett gehen, machen wir uns auf den Rückweg. Mittlerweile ist es dunkel, aber ich habe ja einen erfahrenen Pfadfinder an meiner Seite. Ich sage wir gehen am Kreisverkehr rechts, werde aber schnell vom Pfadfinder Oberrudelführer eines besseren belehrt. Wir gehen alle drei übrigen Straßen die aus dem Kreisverkehr führen ab, bis eingesehen wird, dass mein Weg doch der Richtige war. Ich dachte er könne die Sterne lesen oder fährten Schnuppern, dabei war er wohl selbst sternhagel voll. Ich schlafe später ausgezeichnet.
Am nächsten Morgen verlassen wir die Wohnung um unsere neue Bleibe zu betrachten. Sprachlos, holen wir uns unseren Schlüssel an der Lobby ab. 5 Sterne Hotel. Direkt am botanischen Garten, zehn Minuten zu Fuss in die Stadt. Man blickt aus dem Zimmerfenster und genießt eine wunderschöne Aussicht. Wir sind glücklich. Wir teilen das Zimmer mit einer polnisch, kroatischen Kombination, die gemeinsam in den USA gelebt hat und uns einen hervorragenden Aufenthalt ermöglicht haben. Wir waren am Shrine of Remembrance, der nur eine Gehminute entfernt ist, nehmen den CityBus und erkunden die Stadt. Kaufen Kiwi´s auf den Victoria Markets und essen Pizza im italienischen Viertel in South Melbourne. Am Tag vor der Abfahrt schauen wir uns noch ein Australian Football Game im größten Stadion Australiens an. 100 000 Sitzplätze. Das MCG. Es ist spektakulär, eine unsagbare Erfahrung.

Am Abend organisieren wir einen Jucy Campervan um mit ihm von Melbourne nach Sydney zu fahren. Ein echter Roadtrip. Ein wahres Abenteuer.
Wir holen am Morgen noch zwei deutsche Mädels ab und setzen uns mit dem Van in Bewegung. Der Jucy Van. 250 PS. 3,5l. Das Lenkrad auf der falschen Seite. Nachdem wir uns durch den Großstadtjungle Melbourne gekämpft hatten und ich schon Armschmerzen vom vielen Kreuzzeichen machen hatte, läuft es auf dem Freeway erstaunlich gut. Problem nur, das Tempolimit von 110 km/h. Nach neun Stunden fahrt durch Wind und Regen,  kommen wir an einem Parkplatz kurz vor Canberra an. Wir wollen nur noch schlafen. Sitze umgeklappt und Augen zu.

Achja das Wetter. Ich hatte es fast verdrängt. Es ist Winter in Australien. Ja hier gibt es Winter. Und ja der Winter kann kalt werden. Unterscheiden tuen sich der australische Winter und das übliche Klima in Paderborn nur  gering. Es Regnet. Regnet. Und regnet.

Canberra, die Stadt, die nur die Hauptstadt wurde, weil sich Sydney und Melbourne nicht einigen konnten,  hat nicht sonderlich viel zu bieten. Das National Museum ist äußerst interessant, leider haben wir zwei Passagiere an Bord, die nicht sonderlich an Kultur interessiert sind und auch so nicht wirklich eine Meinung hatten. Drum geht es weiter. Ich übernehme die Aufgabe und fahre in den Städten. Mein Pfadfinder Freund navigiert. Doch die Zusammenarbeit zwischen dem GPS und ihm war nicht von Erfolg gekrönt. Wir haben uns so oft verfahren, dass wir beinahe den ganzen Weg nochmal als Umweg zurückgefahren sind. Ich habe wirklich versucht ruhig zu bleiben. Ebenfalls erfolglos.

Unser Weg führt uns ins Kangaroo Valley. Laut Lonely Planet gehört dieses zu den sehenswertesten Orten in Australien. Ein Muss. Und nun finde den Fehler. Es ist Winter. Kanu fahren, Wasserfälle, versteckte Seen, Wanderwege, atemberaubende Aussicht - funktioniert nicht wirklich. Ein Abenteuer ist es dennoch. Ein fast 3 Meter hoher Campervan, vollbeladen, mit ordentlich Dampf unterm Kessel ist nicht so leicht durch 25 km abfällige Serpentinenstraßen zu rangieren, dazu kommt ein Sturm, der über die Ostküste tobt. Es liegen Bäume auf der Straße und die Sicht beträgt maximal 10 Meter. Das Ergebnis. In jedem Fall könnte ich nun sicherlich die Ralley Paris-Dakar mit einem Rechtslenker bewältigen. Ich entschuldige mich jetzt nocheinmal schriftlich beim lieben Gott für das viele Fluche. Entschuldigung. Nach einer weiteren nassen Nacht fahren wir über Wollongong nach Sydney. Wir sehen faszinierende Bilder, weiße Strände, die auch bei schlechten Wetter einfach unglaublich schön sind. Unsere Vierergespann löst sich am Bondi Beach auf. Der Oberrudelführer und ich parken den Van auf einem Zeltplatz, auf dem wir zwei Nächte verbringen. Als wir am Parkplatz ankommen, geschieht das unfassbare. Die Sonne lacht. Wir haben zwei Tage strahlenden Sonnenschein und sind begeistert von Sydney. Opera House. Parks. Harbour Bridge. Town Hall. Chinatown. Wir treffen Freunde, die uns auch schon nach Melbourne folgten. Welch ein Glück! Apropo Glück. Jetzt kommt nochmal das Glück zurück ins Spiel, wir finden eine Wohnung, die von der Lage mit nichts zu vergleichen ist. Der berühmte Hyde Park ist in Sekunden zu erreichen, das Rathaus in unter einer Minute.  Das Apartment. 41. Stockwerk. Über den Dächern der Stadt. 

Wir verbringen die gesamte Woche im Kern Sydneys. Im Zentrum der Weltmetropole und fühlen uns als wären wir ein Teil von Ihr. Wir lieben es. Wir leben es. Wir fordern es. Wir genießen es. Und wenn man aus dem Fenster in die Ferne schaut, dann fühlt man es auch. Das ist es, was das Leben so Lebenswert macht. Ich bin zufrieden und das war ich selten, ich habe auf dieser Reise mehr über mich und das Leben gelernt, als ich mir jemals hätte erträumen lassen. Ich bin stolz eine Familie und Freunde zu haben, mit denen ich diese Gedanken und Erfahrungen teilen kann. Ich wünschte ihr könntet hier sein und dieses Glück mit mir teilen, denn ihr seid das wahre Glück. Das Glück, ohne das ich nicht der wäre der ich bin und nicht das erreichen könnte, was ich mir wünsche. Ich bin wunschlos Glücklich.Und danke an meinen Pfadfinder.

Montag, 28. Mai 2012

Sicher ist Sicher!

"Lern erstmal einen ordentlichen Beruf!", sagte mein Opa als ich ihm meinem Traum vom Politikwissenschatsstudium erläuterte. Dazu muss man wissen, wenn man aus einem kleinen ostwestfälischen Ort stammt spielt Politik keine große Rolle. Hier gilt noch die Tugend "Schaffe, Schaffe, Häusle bauen". Politik macht man in Berlin und Berlin ist weit weg. Wie weit Berlin scheinbar von vielen Teilen unseres Landes entfernt ist, haben die vergangenen Landtagswahlen deutlich gemacht.
Ich habe mich damals für die Lehre als Werkzeugmechaniker entschieden, einem Beruf der vorallem wegen der Abwrackprämie während der großen Krise ein sicheres Einkommen gewährleistete. Sicherheit ist doch das, was die Menschen sich wünschen. Seit der letzten Bundestagswahl haben wir viele Politiker kommen und gehen sehen, bei denen wir uns scheinbar sicher waren, und so manch einer dieser Politiker hätte sich mit "Sicherheit" gewünscht, einen Großvater wie meinen zu haben, dessen Rat sie hätten folgen können. Die Frage, die sich mir stellt und die ich auch aus den Fragezeichen in den Augen vieler Piraten ablesen kann ist: " Sind sich unsere Politker eigentlich Sicher wie groß ihre Verantwortung ist oder ist es genau diese Verantwortung, die das ganze so unsicher macht?"  Im September entscheidet sich dann, ob wir kleinen Leute langsam verstehen, dass Politik nicht nur in Berlin gemacht wird und ob wir mit unserer Verantwortung sicher umgehen können. Wenn wir Politik besser verstehen wollen, dann liegt es an uns, aus unseren verschlafenen Nestern zu erwachen und aktiv für Veranderungen zu kämpfen. Ich bin Werkzeugmechaniker und kein Politiker, das ist sicher, aber Politik wird auch nicht von Politikern gemacht. Sie sind die Werkzeuge der Demokratie, die "wir" nach eigenem Ermessen und eigener Verantwortung einsetzen können, um den Motor Deutschland wieder auf Vordermann zu bringen.

Montag, 23. April 2012

Keep it simple stupid


Australian Football. Paterson Stadium. Perth Oval. Eine Sportart, die in Europa kaum jemand wahrnimmt. In Australien ist es neben Cricket der Nummer eins Sport. Für die Unwissenden eine Kombination aus Fußball, Handball und Rugby. Es soll aber ursprünglich von einer Sportart der australischen Ureinwohner abstammen. Ich arbeite dort für Mustard Catering. An den Job kam ich eher durch Zufall, denn zu Beginn der Aussie Rules Saison rekrutiert Mustard tausende Studenten im ganzen Land, die so ihre knappen Kassen etwas aufbessern können. Viele der neuen Mitarbeiter kommen aus dem Ausland, aus Orten und Ländern, von denen ich trotz Erdkunde im Abi noch nie gehört habe. Der Großteil meiner Kollegen stammt aus dem asiatischen Raum, aus sogenannten ´developing countries´. Dank meines Erdkundeunterrichts weiß ich, dass der Begriff „Entwicklungsland“ heutzutage nicht mehr zutreffend ist, wenn man allein die Weltmacht China betrachtet, versteht man diese Änderung. Nichts desto trotz Leben viele Menschen in diesen Ländern in Armut. Einige wenige haben das Glück und die Möglichkeit im entwickelten Ausland , in diesem Falle Australien, Fuss zu fassen, die Sprache zu lernen oder Arbeit zu finden.
Der erste Tag bei Mustard Catering begann mit einer Informationveranstaltung. Etwa 300 Gleichgesinnte fanden sich an diesen Tag in einem Tagungssaal ein, welches mich etwas an eine Scientology Rekrutierungsstunde erinnert hat. Nachdem uns die Firmenphilosophie indoktriniert wurde, die amüsanterweise „keep it simple stupid“ oder kurz „kiss“ lautet, durften wir auch einen Blick hinter die Kulissen werfen. Der Spruch trifft unglücklicherweise nicht nur auf die Arbeitsmoral, sondern auch auf viele der Supervisor zu. Nach der Einführung wird einem schnell Bewusst, wie viel Arbeit in einem solchen Stadion steckt. Am Abend hat mir dann einer der Manager angeboten am nächsten Tag mit einer Schicht während einer Cocktailparty zu starten. Andere mussten erst zwei Wochen auf die Bestätigung ihrer Unterlagen warten. Einzige Bedingung für mich, ein paar schwarze Schuhe und eine schwarze Stoffhose, die leider nicht zu meinem Inventar gehörten. Da ich zu dieser Zeit noch am Englischkurs teilgenommen habe, blieben mir nach der Schule am folgenden Tag circa 25 Minuten um meine neue Arbeitskleidung zu besorgen. Problem Nummer eins; in welchem der vielen Geschäfte in Perth finde ich auf die schnelle die passende Kleidung? Probelm Nummer zwei; welche Größe brauche ich? Problem Nummer drei, der Preis muss stimmen. Fündig wurde ich dann letztendlich beim australischen Äquivalent von Kick, Target. Keep it simple stupid. Das mit dem simple hat mir dann nicht mehr so gut gefallen, als ich in der Umkleidekabine im Stadion meine Arbeitsmontur zum ersten Mal angelegt habe. Eine Hose in der passenden Länge hatte ich, nur hätte von der Weite mit Sicherheit nocheinmal  eine Person mit hineingepasst. Doppelt lang, heißt also auch doppelt weit. Die Schuhe. Der Hammer. Ich bin mir sicher, dass man sie auch als Hammer benutzen kann. Die Sole erinnert mich an die 90er Buffalo Plateauschuhe, wer vermisst sie nicht?  Ich begnüge mich in diesem Fall mit der 2012er noname Variante. Ergebnis. Ich sehe aus wie ein 90er Jahre HipHopFan, der bei einem Trauerzug seinem Style in Schwarz treu bleibt. Aufeinmal wird mir klar, was die Freundin im Fettes Brot Song „ Jein“ dazu veranlasst hat in die Südsee zu fliehen oder, warum sie weg ist und er wieder allein, allein ist. Der Style geht garnicht. Wer gedacht hat, dass das alles ist, der hat nicht an die schmucke Arbeitsjacke in weiß gedacht, die auch dazu gehört. Die Vorlangen zu dieser Jacke, müssen vom gleichen Designer stammen, der auch die Hose entworfen hat. Doppelte Länge, bedeutet auch doppelte Weite. Ich sehe aus wie der größte Idiot. Jetzt noch wasserstoffblonde Haare und ich wäre der König auf jeder 90er Jahre Trashparty. Keep it simple stupid. „Keep it stupid“ würde in diesem Fall wohl besser passen.
Meine erste Aufgabe. Wein servieren. Für mich als stadtbekannter Weinkenner natürlich keine Herausforderung. Meine Antwort auf die Frage, welche Weine wir denn zur Auswahl hätten, antworte ich selbstbewusst: „Red and White.“ Natürlich weiß ich, dass dem Kunden mit Sicherheit klar war, dass wir weißen und roten Wein haben, aber mir fehlt in diesem Fall leider die passende Antwort. Deshalb konter ich geschickt mit einer Gegenfrage, „ Welchen Wein wünschen sie denn?“ SSB. Tja, Marc so viel zu deiner tollen Idee. Was ist SSB?  Um mir keine Blöße geben zu müssen, schnappe ich mir einfach die nächste Weißweinflasche. Da es warm ist und noch kein Essen serviert wurde, gehe ich mal von Weißwein aus. Jetzt nur noch hoffen, dass meine Unwissenheit nicht auffällt und, dass es sich bei meinem Gegenüber nicht um einen Weinliebhaber handelt. Keine Klagen. Glück gehabt. Nach einer Stunde habe ich dann auf alle Fragen eine passende Antwort herausgearbeitet und mich mit den verschiedenen Weinen vertraut gemacht. Der erste Abend verlief also ohne große Zwischenfälle und man war sehr zufrieden mit meiner Arbeit. Keep it simple stupid.
Am Gameday oder Spieltag arbeite ich im Billy Walker Room, der größte Raum im Stadion, in dem Vereinsmitglieder vor und während des Spiels versorgt werden. Meine Qualifikation. Ich kann bis zehn zählen, befördert mich direkt zur Arbeit an der Kasse. Bestellung annehmen, Flasche aufmachen, eintippen und Geld verarbeiten. Gewohnte Arbeit und ich muss nichtmal Kopfrechnen, das macht die Kasse für mich. Mein nächstes Abifach, dass mir nicht wirklich weiter hilft. Mathe. Halb so wild. Das Problem, welches dort auf mich trifft hat nichts mit Mathe oder Erdkunde zu tun, auch Deutsch und Geschichte helfen mir hier auch nicht weiter. Englisch? Nein. Es ist der australische Akzent. Einige der Herren nuscheln sich derart in den rechten Backenzahn, dass Corona und Crowni nicht mehr zu unterscheiden sind. Das Problem habe nicht nur ich, auch Australier untereinander verstehen sich in diesem Fall nicht. Was jedoch besonders schwer fällt ist, den armen Herren klar zu machen, dass man pro Person nur vier alkoholische Getränke kaufen darf. So schreibt es das Gesetzt. Was ungemütlich wird, wenn die vier Bier, die man geöffnet hat keine Crowni´s sondern Corona sind. Ich frage mich immer, wie groß die Chance wäre, so ein Gesetzt auf einem deutschen Schützenfest durchzusetzen. „Vier Pils. Das istn Scherz! Bei fuffzig könnt ich das verstehn!“ Apropo Schützenfest. Mein Supervisor. Ken. Netter Typ. Australia. Gefühlte 80 Burnouts. Ist schon vor dem Spiel immer völlig ausgebrannt. Allein vom zugucken bekomme ich einen Tinitus auf dem linken Ohr, weil ich mir das rumgehampel nicht angucken kann. So viel zu „Keep it simple stupid“. Der arme Mann vergisst alle fünf Meter, was er machen wollte. Ich habe ihm dann letzte Woche, um ihn etwas zu beruhigen, einen Zettel und einen Stift in die Hand gedrückt, damit er sich eine ´to-do Liste`machen kann. Das hat gefühlte drei Minuten echt gut geklappt, dann hat er den Stift verlegt. Kurz vor dem Feierabend klopft er mir immer lobend auf die Schulter, „bloody good work mate, same as usual“. Ich habe mich mal ironischer Weise gefragt, wie er wohl mit einem Schützenfest im Kreis Paderborn umgehen würde, wenn der Oberst zum Freibier ausruft. Das wäre hier wohl mit dem Stress zu vergleichen, wenn an Kasse 3 keine Zitronenscheiben liegen oder die Eiswürfel zu kalt sind. So simple stupid.
Im besten gefallen mir jedoch die Ruhephasen. In Deutschland würde dich eine Arbeitsbeschaffungsmaßnahme schon beschäftigen. In Australien muss man sich verstecken, damit einen auch keiner beim rumstehen erwischt. Da kommen bei mir Gefühle aus der Ausbildung wieder hoch, nur das mir dort niemand vorgeschrieben hat mich zu verstecken.
Gelegentlich darf ich dann auch mal unter der Woche arbeiten. Die Arbeitsmoral und Produktivität ist mit einem EinEurojober nach einer durchzechten Nacht zu vergleichen. Nach zwei Monaten habe ich das System dann durchschaut. Alle Mitarbeiter, die ein wenig Ahnung haben was zu machen ist, hören einfach auf die Leute, die keine Ahnung haben. Positiver Effekt, man hat mehr Stunden auf seinem Konto. Es zahlt sich also aus wenn man pro Stunde wird. Ich gebe jedoch hin und wieder mal einen Tip, damit ich nicht zum zehnten mal in den gleichen Raum laufen muss. Andere ziehen ihr System knallhart durch. Keep it simple stupid. Dieser Satz hat sich bei mir eingebrannt, nachdem ich drei Monate mit „simple stupids“ zusammengearbeitet habe.

Dienstag, 10. April 2012

Die Stadt der Liebe


Brasilien. Sao Paulo. Aufgewachsen in einer Millionenstadt, in einem Land, das nicht allen die gleichen Möglichkeiten bietet. Ein Problem. Seine Hautfarbe. Sein Informatikstudium schließt er als einer der Besten ab. Neben der Uni arbeitet er in einer kleinen Bar, für nichtmal drei Euro die Stunde. Spart jeden Cent. Nach seinem Studium, sind für ihn viele Türen verschlossen.  Findet zunächst keinen Job. Die, die ihm in dieser Zeit halt gibt, ist seine Freundin. Seinen Beschreibungen nach ist sie die schönste Frau der Welt. Eine Frau die das Optimum aller Eigenschaften in einem vereint. Sie ist die perfekte Kombination aus intelligent und sexy. Die Reinkanation einer brasilianischen Göttin. Ich beneide ihn dafür, soetwas gefunden zu haben. Sie lässt ihn gehen, als er sich entscheidet in Perth eine neue Sprache zu lernen, um seine Jobchancen zu erhöhen.
Er verspricht ihr zurückzukommen. Sie verspricht ihm, zu warten.  Es ist die Große Liebe.
Er will nicht bleiben, er will zurück. Zurück zu ihr. Sie hofft darauf, dass er zurückkommt. Sie will nicht gehen, sie will warten. Er geht und lässt sie zurück.
Mit 26 Jahren entscheidet er sich, seinem Leben eine neue Richtung zu geben. Sein Optimismus wird jedoch schnell gebremst. Als er in Perth ankommt, versteht er die neue Sprache nicht. Er muss von ganz vorne anfangen. Jedes Wort ist für ihn ein Hinderniss. Es scheint unüberwindbar, wieder gibt ihm seine Freundin kraft. Sie vermisst ihn, sagt, dass sie auf ihn wartet, fragt ihn täglich wann er nach Hause kommt. Seine Antwort lautet immer, wenn ich die Sprache spreche. Sie akzeptiert es, weil sie ihn liebt. Zunächst hält er sich an andere Brasilianer, die ihm helfen zurechtzukommen. Er merkt aber schon bald, dass er sich so nicht in der Sprache entwickelt. Er sucht sich einen Job, spart etwas Geld und beginnt einen Sprachkurs. Durch fleiß und viel Arbeit verbessert er sich schnell. Hier, treffe ich auf ihn.

Wir kommen ins Gespräch, verstehen uns gut , sind beide interessiert etwas aus anderen Teilen der Welt zu erfahren. Er erzählt mir seine Geschichte. Sie ist einzigartig. Am Meisten beeindruckt mich jedoch die Art und Weise, in der er über die Liebe spricht. Die Gefühle für seine Freundin beschreibt er auf diese Weise, „ Marc, stell dir vor, du bist auf einem Konzert, um dich herum 120000 Menschen. Die Band spielt ein Lied und alle stimmen ein. Die Atmosphäre reißt dich mit. Du hast das Gefühl, dass du fliegst. Du schließt die Augen. Sie nimmt deine Hand und aufeinmal seid ihr ganz allein. Allein, zwischen tausenden von Menschen und du denkst, dass das Lied nur für euch gespielt wird. „Without you“ ist das Lied, dass für ihn gespielt wird. Ich höre ihn seit Wochen immer wieder das gleiche Lied singen und ich weiß, dass er daher seine Kraft schöpft. Er spart wieder jeden Cent für einen Flug, um nicht mehr ohne sie zu sein.

Kolumbien. Bogota. Eine andere Millionenstadt. Ein Land, das beherrscht wird von Drogenkartellen und Korruption. Ohne die richtigen Leute zu kennen, gibt es keinen Weg nach Oben. Sein Vater ist Anwalt und er hat drei beruflich erfolgreiche Schwestern. Er ist Ingeneur. Ingeneur mit einem Job, der gerade so zum Überleben reicht. Es gibt zu viele. Er hört, dass der Miningboom in Western Australia viele Jobchancen für junge Ingeneure verspricht. Der Druck den sein Vater auf ihn ausübt bringt ihn bald dazu sein Glück in Down Under zu suchen. Er hofft, dass die rote Erde eine goldene Zukunft für ihn bereit hält. Auch er spricht die Sprache nicht, als er in Perth ankommt. Auf der Suche nach Gleichgesinnten, verliebt er sich in eine Brasilianerin. Er weicht nicht mehr von ihrer Seite, sie verbringen jeden Tag und jede Nacht zusammen. Sein Englisch verbessert sich kaum. Dafür spricht er nach einem Jahr fließend Portugiesisch. Sie fühlt sich nicht wohl in Perth. Versteht die Sprache nicht und zeigt auch keine Ambitionen, die Sprache zu lernen. Sein Ziel einen Job zu finden, hat er beinahe aufgegeben. Sie verlangt seine voll Aufmerksamkeit. Als sie ihn fragt, ob er mit ihr zurück nach Brasilien geht, sagt er ja. Er liebt sie, er will sie nicht verlieren, er nimmt eine neue Herausforderung an.  Beginnt wieder ein neues Leben in einem anderen Land. Er gibt seinen Traum von einem Leben in Australien auf, um einen anderen Traum zu verwirklichen. Die große Liebe.
In Brasilien entwickelt sich jedoch alles anders. Der Traum von einer gemeinsamen Zukunft verblasst bald. Sie verändert sich, kontrolliert ihn, spoiniert ihm nach, erfindet Geschichten und räumt sein Konto leer. Mit seinem letzten Geld kauft er ein Flugticket. Er flieht. Nach Hause kann er nicht, dafür ist die Schande zu groß. Er kehrt zurück nach Perth. Diesmal will er sich von seinem Ziel nicht abbringen lassen. Durch Putzen finanziert er sich seinen Sprachkurs. Hier treffe ich auf ihn.

Wir kommen ins Gespräch, verstehen uns gut , sind beide interessiert etwas aus anderen Teilen der Welt zu erfahren. Er erzählt mir seine Geschichte. Sie ist einzigartig. Am Meisten beeindruckt mich jedoch die Art und Weise, in der er über die Liebe spricht. Er sagt, dass er keine Sekunde seiner Beziehung bereut und er für die richtige Frau das gleiche Risiko nocheinmal eingehen würde. Ich verstehe nicht ganz, denn ich habe immer versucht für diesem Risiko zu fliehen. Er erklärt mir, dass er eines aus der ganzen Sache gelernt hat und das ist, „nicht zurück zu schauen, sich selbst eine zweite Chance zu geben, denn es ist nicht Geld was dich glücklich macht. Das Gefühl jemanden zu lieben und geliebt zu werden, ist das mächtigste aller Gefühle. Das ist was ich will.“ Der Satz, „Glück kann man nicht kaufen“, bekommt hier für mich eine neue Bedeutung.

Frankreich. Reunion. Eine französiche Kolonie, bei Mauritius. Eine Insel mit einer hohen Arbeitlosenquote. Seine Eltern arbeiten in der Landwirtschaft. Das Leben ist hart. Arbeit bedeutet überleben. Für Gefühle bleibt wenig Zeit. Er ist ein Problemkind. Mit 17 Jahren schicken ihn seine Eltern nach Perth zu seinem Bruder, mit der Hoffnung, dass ihm die Veränderung gut tut. Es funktioniert. Er entwickelt sich, er lernt die Sprache und findet einen Job. Er sucht sich eine eigene Wohnung, wird selbstständig und erwachsen. Doch er ist einsam, vermisst seine Familie. Sein Bruder hat wenig Zeit. Zu seinem Glück, verliebt er sich. In eine Australierin. Er tut alles für sie. Sie scheint ihm das zu geben, was ihm immer gefehlt hat. Er fängt an, sein Leben zu genießen. Alles passt perfekt zusammen. Sie planen ihre Zukunft und wollen heiraten, um für immer  zusammen zu sein.
Sie verlässt ihn. Ohne Vorwahrnung. Er verliert den Boden unter den Füßen. Er verliert seinen Job. Sein Visum läuft aus.  Er muss zurück. In eine Zukunft ohne Zukunft. Seine einzige Möglichkeit, ein Sprachkurs über 20 Wochen, der seinen Aufenthalt verlängert, bis er einen anderen Weg findet. Hier treffe ich auf ihn.
Wir kommen ins Gespräch, verstehen uns gut , sind beide interessiert etwas aus anderen Teilen der Welt zu erfahren. Er erzählt mir seine Geschichte. Sie ist einzigartig. Am Meisten beeindruckt mich jedoch die Art und Weise, in der er über die Liebe spricht. Er sagt, „ egal wie verletzt ich bin, zum ersten Mal in meinem Leben habe ich mich besonders Gefühlt. Ich will dieses Gefühl noch einmal empfinden und gebe deshalb nicht auf. Egal, wie schlimm die Erfahrung für mich war,  um die wahre Liebe zu finden, nehme ich es in Kauf verletzt zu werden. Nur wenn man mit reinem Herzen liebt, versteht man was Liebe ist.“

Deutschland. Paderborn. Kleine Großstadt. Hier sagen sich Hase und Igel gute Nacht. Nach der Ausbildung und dem Abitur, fliegt er nach Perth, um die Sprache zu lernen. Beim Thema Liebe will nicht von sich sprechen, er will nur zuhören. Er will das Leben lesen. Seine Geschichten sind ein anderes Kapitel. Vielleicht Schwieriger. Um ihn zu verstehen, muss man sich Zeit nehmen. In erster Linie ist er Zuhörer und Berichterstatter. Die Liebe im Sicherheitsabstand.  Hier ist er Vorsichtig. Er macht einen Sprachkurs, um die Sprache besser zu verstehen. Hier trifft er sie.

Wir kommen ins Gespräch, verstehen uns gut , sind alle interessiert etwas aus anderen Teilen der Welt zu erfahren. Sie erzählen mir ihre Geschichte. Sie sind einzigartig. Am Meisten beeindruckt mich jedoch die Art und Weise, in der sie über die Liebe sprechen. Es ist nicht nur eine neue Sprache, die ich lerne, ich begreife auch, dass die Sprache der Liebe, die Sprache ist, die wir alle verstehen. Egal aus welchem Teil der Erde man stammt, das  Herz sitzt immer am gleichen Fleck. Ich höre viele unterschiedliche Geschichten, doch ihr Medium besteht meist aus der gleichen Substanz.  Es ist faszinierend, dass es Männer sind, die so offen in dieser Sprache sprechen. Einfach mal richtig hinzuhören und sich Zeit zu nehmen, würde vielleicht alles ein wenig leichter machen, denn wie gesagt: „ Es ist die Sprache, die wir alle verstehen.“

Perth. Australien. Die Stadt, der Liebe. Die Stadt, der tausend Abenteuer.  Die Stadt, der Lehren. Die isolierteste Stadt der Welt. Die Stadt, die Geschichten schreibt.

Dienstag, 3. April 2012

Freunde kommen, Freunde gehen


Es ist vier Uhr in der Früh. Im Blue Moon. Ich sitze mit einem Glas Wein an einem Eichentisch und stoße auf Saulos letzte Stunden in Perth an. Es war sein letzter Tag und seine letzte Nacht. Ein sehr besonderer Abschnitt seines Lebens nimmt heute sein Ende. Ein Ende soll auch immer ein Anfang sein. Die Frage, die sich mir stellt, ist: „Ist eine Rückkehr in ein altes Leben wirklich ein Anfang?“ Seine Geschichte fand seinen Anfang, genau wie meine, in dem Wunsch etwas neues zu erleben, seinem Leben eine neue Richtung zu geben. Welche Richtung weiß man nicht? Man weiß, dass es vorwärts geht und schaut deshalb selten zurück. Heute ist es anders. Wir schauen zurück, denn es geht zurück. Zurück in ein altes Leben. Sechsundzwanzig Stunden liegen nun zwischen seinem aufregendem Leben in Perth und seinem alten Leben in Kolumbien. Wehmut. Trauer. Freude. Zaubern eine ganz besondere Stimmung. Eine Stimmung, in denen alle für kurze Zeit verstummen und in Gedanken versinken. Es ist Saulo, der sein Glas erhebt und Danke sagt. Er dankt uns für diesen einzigartigen letzten Tag und blickt zurück, denn es war die schönste Zeit seines Lebens.
An seinem letzten Tag.
Ich nehme den Zug in die Stadt. Saulo und drei seiner Freunde warten bereits auf mich, um gemeinsam für sein Abschieds-BBQ einkaufen zu gehen. Wir kaufen reichlich. Zu diesem Zeitpunkt tut mir Saulo leid, denn ich hatte erwartet, dass mehr Leute kommen. Es sind fünf, die sich auf den Weg zum City Beach machen. Am City Beach gibt es öffentliche Grillstationen, an denen Familien und Freunde oft ihre Samstagabende verbringen. Es sind knapp vierzig Grad auf dem Thermometer. Das Bier, das ich in meinen Armen transportiere wird zum verlockendem Gut. Leider ist es in Australien nicht erlaubt in der Öffentlichkeit zu trinken. Sehnsüchtige Blicke quälen uns diesem Grund, bis wir den Strand erreichen an dem wir in aller Abgeschiedenheit ein kühles Bier genießen können. Doch was ich nicht erwartet hatte ereignet sich nun.
Aus allen Richtungen strömen Menschen unterschiedlicher Nationalitäten. Alle kommen um am BBQ teilzunehmen und um sich von Saulo zu verabschieden. Es liegen nun nicht nur auf dem Grill Speißen unterschiedlichster Nationen, auch um den Grill bewegt sich eine Vielfallt von Kostbarkeiten aus aller Herren Länder. Italiener. Griechen. Polen. Franzosen. Esten. Brasilianer. Kolumbianer. Chilenen. Japaner. Chinesen. Australier. Spanier. Russen. Kenianer. Und ein Deutscher. Ich.
Alle verbindet eines, die Aussicht, irgendwann wieder in ein altes Leben zurückkehren zu müssen. Wieder werde ich überflutet von neuen Eindrücken. Wieder geschieht etwas, welches ich nicht erwartet habe. Ich bin begeistert von all den neuen Geschichten. Wir tauschen Gedanken und Eindrücke aus. Wir sprechen über unser Leben und unsere Länder. Wir verstehen uns. Wir sprechen über all dies in einer Sprache, die nicht unsere eigene ist. Englisch. Es wird aufeinmal klar, wie Mächtig das Medium Sprache ist. Denn wir verstehen uns. Es ist einzigartig. Es ist beinahe unbeschreiblich. Ich fühle mich wie Lord Chandos, dem die Fähigkeit abhanden kommt seine Gedanken in Worte zu fassen. Wir stehen dort in unseren Badehosen mit einem Bier in der Hand und führen Gespräche mit fremden Menschen. Menschen mit fünfzehn verschiedenen Nationalitäten. Von Rassismus, Zweifeln, Streit oder Arroganz ist keine Spur. Alle sind gleich. Es spielt keine Rolle welche Farbe deine Haut hat oder welche Sprache du sprichst. Wir sind alle Fremde in einem Land, das nicht unser eigenes ist. Wir alle sprechen eine Sprache, die nicht unsere eigene ist. So stehen wir da. Beinahe nackt und alles was wir repräsentieren ist unsere Persönlichkeit. Für Japaner, Chinesen, Kolumbianer oder Brasilianer spielt es keine große Rolle, ob du Deutscher bist. Du kommst aus Europa. Du bist Europäer. - Doch was sind wir Deutschen? - Sind wir Europäer. Sind Spanier, Italiener, Französen, Polen und Griechen Europäer? Schaut man von Australien nach Europa und verfolgt die Nachrichten, gibt es keine Europäer. Es gibt Deutsche, Polen, Griechen, Franzosen und Italiener, die Europäer sein wollen, aber keine sind. Hier in Perth jedoch, gibt es Europäer. Stolze Europäer. Europäer mit einer gemeinsamen Geschichte. Ich stehe in der Mitte, um mich herum all diese Länder. In der gleichen Position, in der sich Deutschland auf der Weltkarte befindet. Der Unterschied, es gibt keine offenen Grenzen. Es gibt keine Grenzen. Es gibt viele Fragen. Es gibt nicht immer eine Antwort. Doch es gibt Kompromisse. Es ist kein Überlebenskampf, kein Kampf in dem man seine Nation verteidigen muss, welches als Deutscher immer etwas Fingerspitzengefühl verlangt. Es ist ein respektvoller Austausch, es ist ein Blickwechsel und es ist Freundschaft, die alle verbindet. Wir reden und feiern die ganze Nacht. Wir lachen. Wir haben Spaß. Wir teilen unser Leben.
Für Saulo war dies die schönste Zeit seines Lebens. Wer hätte gedacht, dass ein einfaches BBQ unter Freunden aus einer entfernteren Perspektive betrachtet etwas so bedeutungsvolles sein kann? Nun stellt sich die Frage nicht mehr, „ob eine Rückkehr ein Anfang ist.“ Jeder Tag, jede Minute, jede Sekunde ist ein Anfang. Jeder Schritt, den man auf einen anderen Menschen zu geht, ist ein Anfang. Jeder Wunsch nach Veränderung ist ein Anfang. Die Verantwortung dafür tragen wir selbst. Jede Rückkehr ist ein Anfang.
Für mich ist dies hier ein Anfang um wirklich verstehen zu können, wie wertvoll das Leben ist.  Ich weiß das nach meiner Rückkehr meine Familie und Freunde mit einem neuen Anfang auf mich warten. Deshalb liegt mir viel daran, all die neuen und beeindruckenden Dinge, die ich hier erlebe mit ihnen zu teilen. Damit mit man mich nicht falsch versteht, das heißt nicht, dass man ein neues Leben in einem anderen Land beginnen soll. Es geht mir eher darum, dass Gefühl zu vermitteln, was es heißt seine Rasse, seine Nationalität oder eingeschränkte Sicht mal kurz zu vergessen. Um sich zu öffnen, seine Persönlichkeit zu zeigen, um neues zu erfahren und zu erleben.
Um aus einer kleinen Welt, eine große zu machen.
Anfang.

Mittwoch, 28. März 2012

Auf der Strasse


Die Evolution des Menschen. Der aufrechte Gang. Der Unterschied zwischen Mensch und Tier. Schaut man sich auf den Strassen um, bekommt man den Eindruck wir entwickeln uns zurueck. Wir isolieren uns selbst von der Gesellschaft.
Sie tragen Sonnenbrillen, Kopfhoerer und haben ein gesenktes Haupt. In ihrer Hand ein Iphone. Eingelogt in eine andere Welt. Das Internet. Neue Freunde, neue Nachrichten und neue Links. Die neue Art der Kommunikation. Der Kopf in der gesenkten Pose ist nicht laenger ein Symbol fuer Trauer oder Einsamkeit. Einsamkeit? Bin ich einsam, wenn ich 600 Freunde in einem sozialen Netzwerk habe, aber im echten Leben, auf der Strasse, keiner mit mir spricht? Innovation und Technik zaehlt heutzutage. Kopfschmerzen und Verspannungen sind nur Begleiterscheinungnen. Nicht nur du hinterlaesst deine Spuren im Netz, auch das Netz hinterlaesst Spuren auf dir. Wir sprechen nicht mehr, wir mailen. Verlieren wir in ein paar Jahrhunderten vielleicht sogar unsere Sprache? Wir laufen gebeugt und nutzen wieder unsere Haende um uns auszudruecken. Das Handy wird zum ueberlebenswichtigen Organ. Klingt utopisch?
 Versucht doch einmal ein paar Tage ohne Telefon auszukommen. Schaut euch euer Verhalten an. Wir sind abhaengig. Wir sind Kontrollfreaks. Aber ist es nicht die Werbung, die sagt „ Unabhaengig surfen, Netz weltweit“ ? Es vergehen keine fuenf Minuten in denen man kein Blick auf das Telefon wirft. Warten wird zur Qual. „ Warum schreibt er nicht zurueck?“ Es sind gerade erst zwei Minuten vergangen. Zwei Minuten. Eine Ewigkeit. Man wird nervoes und unruhig. Man stellt sich tausend Fragen. Man checkt Mails, SMS und Skype. Keine Antwort. Zehn Minuten sind vergangen. Von der „Unabhaengigkeit“, die die Werbung verpricht keine Spur. Kontrollverlust. Wir verlieren den aufrechten Gang, die Sprache und die Kontrolle. Wir werden zum Tier. Kann man die De-Evolution aufhalten?

Dienstag, 27. März 2012

Zeiten aendern dich!

Weit weg von Zuhaus, im Landeanflug in eine neue Welt bietet sich mir ein unbeschreibliches Bild. Blitz und Donner setzen die leuchtende Skyline von Perth in Szene. Die unsanfte Landung bestätigt mir,dass dies kein Traum ist. Ich bin angekommen.
Abgeholt vom Terminal und raus in die Nacht. Es ist windig und warm. Auf dem Weg nach Haus gibt es viel zu erzählen. Als wir ankommen, falle ich ins Bett. Am Morgen packe ich meine Laufschuhe aus, um die Umgebung zu erkunden. Lake Monger. Alles ist anders. Autos, auf der falschen Straßenseite. Schwäne nicht weiß, sondern schwarz. Um acht Uhr Morgens, achtundzwanzig Grad. Die Sprache, nicht zu vergessen. Es passiert so viel, die ersten Tage vergehen wie im Flug.
Am ersten Wochenende fahre ich campen. Das Auto vollgepackt, der Blick aus dem Fenster gerichtet. Es gibt so viel zu sehen und ich will nichts verpassen. Unser Ziel. Nangara Falls. Mitten im Bush, fernab von der Realität. Die Straßen werden von schwarzem Teer zu rotem Sand. Ich öffne die Autotür und werde überflutet von neuen Eindrücken. Die Gerüche. Die Geräusche. Die Umgebung. Wir bleiben vier Tage im Camp. Ich sehe Schlange und Spinnen, schwimme in einem See im australischen Outback. Unglaublich. Ich höre interessante Geschichten und lerne täglich tolle Leute kennen. Ich denke aber auch daran, wie gerne ich diese Erfahrungen mit meiner Familie und meinen Freunden teilen würde.
Zurück in Perth. In den nächsten Tagen erkunde ich die Stadt, wander durch den Kings Park und genieße die schöne Aussicht vom War Memorial, von dem man die ganze Stadt sehen kann. Außerdem helfe ich Martina im TennisClub. Abends fahre ich zum City Beach, leichte Seebrise, kaum Wellengang und wunderschöner Sandstrand. Ich genieße jede Sekunde.
Es gibt aber auch Momente in denen man sich unwahrscheinlich einsam fühlt, in denen man gern zuhause auf dem Sofa sitzen würde um seiner Familie von seinen Erlebnissen zu berichten. Man ist umgeben von mehr oder weniger Fremden, von fremden Kulturen und fremden Marotten. Es dauert aber nicht lang und man ist ein Teil dieses Netzwerks. Man gehört dazu.
Ich gebe mir selbst vier Wochen um mich einzugewohnen, um richtig anzukommen. Dazu gehört das Campen, der Strand und genauso die Stadt. Außerdem fahre ich hoch in den Norden um mir ein Naturereignis von ganz besonderem Seltenheitswert anzuschauen. Die Pinnacles. Eine Mondlandschaft. Man könnte leicht in seinen Gedanken abdriften und denken, dass man auf einen anderen Planeten ist. Doch da ist der Bus voller Asiaten, der das Bild etwas verzerrt.  Der Weg zurück führt uns durch faszinierende Sanddünen, die wir mit dem Bus durchqueren. Im Wildlife Park wird halt gemacht. Wer hätte gedacht, dass mir mal Kangaroos aus der Hand fressen und das Koalabären 22 Stunden am Tag schlafen? Ein langer Tag, doch nur ein kleiner Teil vom großen Abenteuer.
Der nächste Trip führt mich nach Magarete River. Ich nehme an einer Weinprobe teil und bekomme eine Führung durch eine der seltenen Tropfsteinhöhlen. Am Cape Leuwin kann ich dann völlig abschalten und alles um mich herum vergessen. Es ist der Ort am dem der Indian Ocean und der Southern Ocean in einanderfließen.  Eins werden. Es ist windig und einsam, aber einer der schönsten Orte, die ich bis jetzt gesehen habe. Wir halten am Busselton Beach und ich frage mich ob die Schönheit überhaupt noch ein Ende findet. Momente, Augenblicke und Eindrücke, die ich nie vergessen werde.
Im  Februar fängt das Leben an. Ich beginne meinen Englischkurs am Central TAFE in Perth. Vier Tage die Woche fünf Stunden Englisch. Warum ich das mache? - Im Gegensatz zu den Backpackern mit dem Working Holliday Visa geht es mir nicht darum möglichst das ganze Land zu sehen oder nie länger als ein paar Tage an einem Ort zu bleiben, um frei zu sein. Ich bin frei. Meine Gedanken sind frei. Ich will die Sprache lernen, ich will das Leben kennenlernen und am Leben in einer Großstadt teilhaben. Großstadt. Bevor ich mich zu diesem Leben entschieden habe, war das Leben in der Paderborner Innenstadt schon ein Ereignis für mich. Um richtig verstehen zu können, was sich nun alles ändert, fange ich ganz klein an. Sande. Einwohner, grob geschätzt vielleicht 5000. Perth. 1,5 Millionen. Je  größer die Stadt, desto kleiner der Wohnraum. Mein Zimmer schrumpft und auch vom eigenen Bad ist keine Spur. Der Fernseher ist gerade halb so groß wie der in meinem Zimmer und in der Küche haben zwei Leute Platz. Vom eigenen Auto, steige ich auf öffentliche Verkehrsmittel um. Größte Umstellung. Die Sprache. Klar man lernt Englisch in der Schule und ich würde nicht sagen, dass ich gerade ein schlechter Schüler war, aber was jetzt auf dich zu kommt ist anders. Erstens, man lernt in der Schule keine bösen Wörter, dass heißt man versteht schonmal so gut wie keinen Witz. Der Vorteil, anrantzer werden ignoriert, nicht weil man der Klügere ist und nachgibt, nein, weil man es nicht versteht. Zweitens, man hat nicht den Vorteil, den Asiaten oder dunkelhäutige Leidensgenossen haben, dass dein Gegenüber mit Bedacht Englisch spricht. Nein, ich sehe aus wie ein Australier und mit mir wird auch so gesprochen. „Hey mate, how ya doin´?“ Ich kenn dich zwar nicht,aber.. „ I´m fine.Thank you.”  „What are you up to?“  Gute Frage, was ist „Up to?“  Es dauert ein paar Tage um zu verstehen, dass es zur australischen Mentalität gehört auch zu Fremden freundlich zu sein. Ich meine ich komme aus Ostwestfalen, wenn einer von der Seite ankommt, den man nicht kennt und sagt: „Na Kumpel, alles klar? Was machste so?“ , dann antworte ich mich Sicherheit nicht, „ Mir gehts gut. Ich fahre jetzt mit meinen Eltern in den Zoo. Danke der Nachfrage.“ Ich guck den Typen blöd an und gehe weiter. Frage mich dann im Nachhinein, „ Was war mit dem denn los?“ und fasse das ganze als versuchte Provokation auf.  Das heißt für mich, ich muss das mit dem blöd gucken abschalten und einfach eine freundliche Antwort geben. Garnicht so leicht. Aber wie gesagt, ich bin hier nicht der einzige mit dem Problem. Die Leute, denen es auch so geht lerne ich im Englischkurs kennen. Ich bin der einzige Deutsche. Alles was man in dieser Klasse über Deutschland weiß ist, „ Wir haben oder hatten Nazi´s bzw. Hitler, wir machen die besten Bratwürste und das beste Bier der Welt, nicht zu vergessen unsere Autos und wir retten im Moment jeden in der Eurozone vor dem Bankrott“. Oft gehörte Frage. „ Welche Sprache spricht man in Deutschland?“ Puhh, soll ich ehrlich antworten? - Nein. Ich antworte, wie man mich kennt, „Japanese“ mit einem ironischen Lachen. Natürlich versteht den Witz keiner und darauf folgt die Gegenfrage, „Au, really?“ Ich muss also ehrlich sein. Ich antworte, nein wir sprechen deutsch. Ich bin jetzt in Woche sieben und so langsam versteht man meinen Humor. Für viele ist Perth Ruhe und Entspannung, 90 % meiner Klassenkameraden kommen aus Städten mit mehr als 5 Millionen Einwohnern. Bogota, Sao Paulo, Hong Kong, Shanghai. Und Marc, aus Sande. Auch wenn ich ernst antworte, kommt immer die gleiche Gegenfrage. „Really!?“  - „How do you know?“ ist die Lieblingsfrage meiner chinesischen Klassenkameraden, wenn ich Antworten zur Weltgeschichte oder zu aktuellen Weltpolitik gebe. Ich antworte natürlich nicht mehr in meiner typisch ironischen Art und sage, dass ich Zeitung lesen kann und, dass es Internet gibt, in dem man ganz viel nachlesen kann. Ich antworte, dass  ich das in der Schule gelernt habe. Und wisst ihr was? Wenn man jetzt in der Klasse fragt, „was wisst ihr über Deutschland?“ Dann ist die erste Antwort, hervorragende Schulbildung und viele intelligente Menschen. Das Ganze soll nicht überheblich oder arrogant Klingen, aber ich weiß, dass das Bild von den Deutschen in den letzten Jahrhundert wohl nie zu den Besten gehört hat und ich die Möglichkeit habe, zumindest in meinem Umfeld das Licht auf andere Dinge zu werfen, als auf Nazis und Bratwürste. Ich höre mir die Geschichten meiner Klassenkameraden genau an, versuche alles aufzusaugen und zu verarbeiten. Jede dieser Geschichten ist faszinierender als die Andere und schnell bin ich auch jemand geworden, der „Really?!“ fragt. Man lernt wie man mit unterschiedlichen Nationen umzugehen hat und das erweitert meinen Horizont ungemein. Schnell gewinnt man neue Freunde und ist an jedem Tag gespannt, was es neues zu entdecken gibt. Aus einer kleinen Welt, wird auf einmal eine Große. Nicht nur in der Schule lernt man Neues. Ich lerne kochen und waschen. Dinge, die zum Luxus in meinem vorherigen Leben gehört haben und die ich nun noch mehr zu schätzen weiß. Ich arbeite Seite an Seite mit Australiern und füge mich ein in die Gesellschaft. Nur mein Akzent ist das, was  mich von anderen unterscheidet. Was ich damit sagen will ist, dass man nie leugnen sollte woher man kommt, vorallem wenn man stolz darauf ist. Wenn ich zurückblicke, hat mich der kleine Ort aus dem ich komme doch sehr gut auf das Leben in der großen, weiten Welt vorbereitet. Dabei darf man aber nicht vergessen, dass vorallem die Unterstützung von Familie und Freunden einem die Sicherheit und das Gefühl gibt, dass man alles schaffen kann. Familie und Freunde sind wie Sterne, man sieht sie nicht immer, aber man weiß, dass sie da sind. Ich bin immer für euch da.