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Donnerstag, 21. März 2013

Liebes dringend nötiges Tagebuch, Teil 3

gewidmet: meinem lieben Bruder


Riesenradbewegungsrichtungswechselschaltzentralenoffiziersuniformskappenhalterungsanlagenbedienungsausweis - Heizölrückstoßabdämpfung - Sicherungsausfallanzeigelampentransformator


Seit drei Tagen liege ich nun im Bett. Ich bin krank. Fette Grippe. Der Grund dafür wird der Ausfall unserer maroden Heizungsanlage sein. Der Installateur meinte, dass wohl die Heizölrückstossdämpfung kaputt sei und, dass es wohl ein paar Tage dauern würde die Generalheizung wieder fit zu machen. Ich frier mir den Arsch ab und gesund werde ich so auch nicht. Außerdem bekomme ich einen Lagerkoller, wenn ich den ganzen Tag im Bett liege und zu viel Zeit zum Nachdenken habe ich dadurch auch. Maya geht mir nicht aus dem Kopf. Dieser Abend geht mir nicht aus dem Kopf. Mayas Worte haben sich unter unendlich erscheinenden Schmerzen wie heiße Nadelstiche  in meine Seele eingebrannt - „Verpiss dich“. Dazu kommt, dass meine Augenlieder scheinbar  die Projektionsfläche für meine Erinnerung an den Moment sind in dem  sie die  Tür schloss und mich mit einem so verachtenden Blick aus ihrem Leben verbannt hat. Immer wenn ich die Augen schließe erscheint dieses unerträgliche Bild. Am schlimmsten aber sind die Alpträume, die mich Nacht für Nacht wachhalten, mich nicht zur Ruhe kommen lassen.  Obwohl, Nein! Eigentlich ist es nur dieser eine Traum, der sich ständig wiederholt. Auch meine kläglichen Versuche der Freud’schen Traumdeutung haben mir bis jetzt  bei der Interpretation des Traumes keinen sonderlichen Erkenntniszuwachs gebracht. Ich weiß nicht, wie dieser Traum zu Stande kommt? Ich weiß nicht, warum ich immer wieder an diesen Ort gelange? Ich weiß auch nicht genau, was das mit meiner Situation zu tun haben soll? Ich weiß nur, dass mir mein Unterbewusstsein irgendetwas zu sagen versucht.  Es scheint ein tragisches Possenspiel zu sein, in dem ich gefangen bin. Ich bin der Protagonist meiner eigenen fatalistischen Satire.

Erster Akt
Erste Szene
Rummelplatz

Ich: (leicht zerstreut und suchend) /
Ein alter Mann in Offiziersuniform: „Steigen sie ein junger Mann, steigen sie ein. So lange es sich dreht, ist es sicher, dass es weiter geht.  Immer weiter. Und schauen sie nach vorn. Dort vorn geht es weiter. Immer weiter“ /
Ich: (steigt in ein Riesenrad)

Ich steige also ein und sitze allein in einer kleinen geschlossenen Gondel. Ich schaue hinaus und sehe die ganze Welt unter mir. Ich genieße den wunderschönen Ausblick. Ich erfreue mich daran. Ich bin fasziniert von dem Perspektivwechsel. Nah und fern und nah und fern. Es scheinen Stunden zu vergehen bis ich jedes Detail dieser so strahlenden Welt in mich eingesogen habe. Ich beobachte den alten Mann in seiner Offziersuniform, der hin und wieder in die Riesenradbewegungsrichtungswechselzentrale eintritt und einen Richtungswechsel einleitet. Mal bin ich fast am Boden und kann ihm dabei  zusehen, wie er  in dem gläsernen Kasten mit beinahe jugendlich anmutender Freude seiner Arbeit nachgeht, mal bin ich hoch in der Luft und kann nur anhand seiner roten Kappe erkennen, dass er  wieder einmal in der Bewegungsrichtungswechselschaltzentrale steht und die Fahrtrichtung ändert. Ich bilde mir dabei ein, ich hörte ihn lachen und  „Weiter, immer weiter“, sagen. Irgendwann sinkt die Sonne am Horizont  und es wird dunkel  um mich herum. Noch strahlen die Lichter ausreichend hell um ein anderes, aber ebenso schönes Bild von der Welt die unter mir liegt zu zaubern. Immer wieder geht es  auf und ab und auf und ab. Nach und nach verlassen die anderen Passagiere das Fahrgeschäft und auch die Lichter in der Ferne erlöschen. Letztendlich bin ich der einzige Verbliebene in diesem so spektakulär großen Riesenrad. Ich schaue zum alten Mann hinab und frage mich, wann er mich wohl aussteigen lässt. Ich kann an einem kleinen Licht in seinem Häuschen erkennen, dass er noch immer seiner Arbeit nachgeht. Nach einer halben Ewigkeit erfüllt und erschüttert mich die Besorgnis, dass ich wohl für immer in dem unaufhörlich drehenden Riesenrad gefangen bin. Alle Lichter sind längst aus, nur das Licht in der Bewegungsrichtungswechselschaltzentrale flackert noch in seinen scheinbar letzten Zügen. Ich kann erkennen, wie der alte Offizier seinen Riesenradbewegungsrichtungswechselschaltzentralenoffiziersuniformskappenhalterungsanlagenbedienungsausweis in der Hand hält, seine Kappe aufhängt und dann das Licht ausknippst. Aus.

Erster Akt
Zweite Szene
Gondel
Ich: (hoffnungslos)

Es ist stockdunkel und es wird mit jeder Umdrehung kälter in der Gondel. Immer wieder versuche ich aus ihr auszubrechen, doch es gelingt mir nicht. Ich liege zusammengekauert auf der Sitzbank und bin von Dunkelheit und Kälte umhüllt. Ich fühle mich leer. Alle zuvor von mir eingesogenen so farbenprächtigen Details nehmen ein kaltes grau oder schwarz an, bis sie irgendwann endgültig verblassen. Ich empfinde dabei nichts. Nichts außer Einsamkeit. Ich schließe die Augen und sofort erscheint wieder Mayas Gesicht in meinem Kopf. Es  wirkt eisig und hart. Mein Herzschlag verlangsamt sich spürbar und parallel dazu scheint das Riesenrad sich mit jeder Minute schneller zu drehen. Schneller, immer schneller.

Erster Akt
Dritte Szene
In meinem Kopfe
Ich: (vegetierend)

Weiter, immer weiter. Ich befinde mich in einem komatösen Trancezustand. Ich habe jegliche Selbstbeherrschung und Kontrolle über mich selbst verloren. Ich bin ein Gefangener meines eigenen Körpers. Mein Schicksal ist umringt von unüberwindbaren Mauern.  Dann geschieht es ganz plötzlich. Ganz unerwartet verlasse ich diese innere Festung und finde mich an einem völlig anderen, aber ebenso dunklen Ort wieder.

Zweiter Akt
Erste Szene
Irgendwo in der Dunkelheit
Ich: (völlig ungewiss)

Ich taste mich in der Dunkelheit voran um mich fortzubewegen. Ein unterbewusstes, stark brennendes Gefühl leitet mich durch die pechschwarze Einsamkeit. Ich finde einen Schalter und betätige ihn. An. Es flackert sofort ein kleines, schwaches Lichtlein und vor mir erkenne ich die Umrisse eines Sicherungsausfallanzeigelampentransformators. Ganz ohne nachzudenken, setze ich die fehlenden und zerstörten Sicherungen in Stand. Es ist augenblicklich taghell. Ich schaue an mir herunter  und erkenne  an meiner Haltung und meinen Händen, dass ich mich in dem Körper eines alten, knöchrigen Greises befinde. Ich fühle mich ausgelaugt, leer und immer noch sehr einsam.

Zweiter Akt
Zweite Szene
Ein stilles Örtchen auf dem Rummelplatz

Ich/ Ein alter Mann in Offiziersuniform [ohne Kappe]: (wie ferngesteuert, ohne Selbstbeherrschung, mit wachen, jugendlich anmutenden Augen): „Wieder, immer wieder.“

Ich schaue an mir hinab. Jetzt befinde ich mich auf einer der vielen Sanitäranlagen des Rummeplatzes. Ich halte in meiner alten, faltigen Hand mein verschrumpeltes Glied und  Blicke auf meinen ebenso faltigen Sack hinab. Dann schließe ich die Augen und versuche mich zu entspannen. Erst jetzt wird mit bewusst  mit welchem Gefühl ich die Sehnsucht nach Mayas Liebe vergleichen kann. Es ist ein kaum zu ertragender Schmerz, ein unendlicher Druck.
                               
  – Es ist das Gefühl …
     zu müssen, aber nicht zu können.  

Ich/ Ein alter Mann in Offiziersuniform [ohne Kappe]: (langsam mit geschlossenen Augen tief ein-und ausatmend)
Quälend lang stehe ich an diesem Ort und nichts passiert. Es fühlt sich an, als würde mein Unterleib innerlich zerreißen. Ich wünsche mir nichts sehnlicher als einfach loszulassen und mich von allen Lasten ein für alle Mal zu befreien.

Zweiter Akt
Dritte Szene
Am Scheideweg

Ich/ Ein alter Mann in Offiziersuniform [ohne Kappe]: (verharre am Höhepunkt)
(Traum aus)

Dann wache ich auf. Jedes Mal laufe ich dann völlig Blind, (den Weg unterbewusst genau wissend) durch die Dunkelheit, zum stillen Örtchen. Um mich zu erleichtern.  Ist das nicht völlig krank?  Das Gefühl, welches man empfindet - wenn man muss, aber nicht kann - wird jeder kennen. Jeder weiß wie quälend es ist zu warten, bis man nach stundenlangen Autofahrten endlich den erlösenden Rastplatz erreicht. Das Bedürfnis „es“ endlich raus zu lassen, ist auf ironische Weise in meinem Unterbewusstsein unauflösbar mit meinen Gefühlen für Maya verknüpft. Scheinbar hat sich in mir ein enormer Innerer Druck angestaut, den mein Körper durch genau dieses Ventil zu entlasten versucht. Es wirkt als sei mein Körper und mein Geist mit dieser Herausforderung heillos überfordert, sodass er nicht einmal zwischen diesen beiden augenscheinlich so grundverschiedenen Bedürfnissen zu unterscheiden vermag. Ich werde anfangen müssen meinen Traum genau zu analysieren um meinem „Über Ich“ die Kontrolle über „es“ zurück zu geben. Maya, was hast du mit mir gemacht? Fuck. Ich muss schon wieder aufs Klo.

Freitag, 15. März 2013

Liebes schwules Tagebuch, Teil 2



Mrs. Robinson, graue Augen, weißes Hemd.

Der Zustand meiner emotionalen und psychischen Verfassung scheint aussichtslos zu sein. Ein Blick in mich hinein führt ins Leere. Es ist alles tot, verödet, abgestorben. Ich bin völlig Verzweifelt. Ich habe keine Hoffnung mehr. Ich habe Maya endgültig verloren. Ich habe Maya -zu Recht- für immer verloren. Immer. Dieses Wort bereitet mir Schmerzen.  Nie in meinem Leben habe ich mich so schlecht gefühlt. Nie. Ich fühle mich leer. Wie konnte ich so dumm sein? Wie konnte ich glauben mit dieser Aktion irgendetwas zu bezwecken. Die Schuld auf den Alkohol zu schieben wäre eine Lüge. Ich muss mir nichts vormachen. Vielleicht hat der Alkohol an meiner Dummheit seinen Anteil gehabt, aber wenn ich ehrlich zu mir bin, dann war es etwas, dass tief in meinem Inneren schlummerte und einfach raus wollte. Wie dieses Ding bei Harry Potter, dieser Dreiköpfige Hund, der an Ketten vor der Kammer des Schreckens wacht. Fluffy heißt er glaub ich. Fluffy fühle ich mich gerade auch, meine Knie sind weich und mein Herz schlägt flach. Ich hasse mich dafür, dass ich so schwach bin. Ich will die letzte Nacht vergessen. Am liebsten würde ich einschlafen und nie wieder aufwachen. Nein. Das wäre zu gefährlich, ich könnte träumen und dann würde sie mir begegnen und mich mit ihren kalten grauen Augen verachtend anschauen. Die Augen, die einmal so schön blau funkelten und mein Herz im Sturm erobert haben.   Das würde mich nicht erlösen. Das würde es schlimmer machen. Ich schäme mich. Gerade wird mir bewusst, dass ich beim letzten Mal noch Witze darüber gemacht habe, dass ich wie ein kleines Mädchen Tagebuch schreibe. Jetzt gerade scheint es das Einzige zu sein, das mir hilft. Wenn mir überhaupt noch zu helfen ist. Die Ereignisse der letzten Nacht kommen mir so utopisch vor, dass in mir die Hoffnung aufkeimt, dass es doch nur ein Traum gewesen ist. Ein Traum aus dem ich hoffentlich bald aufwache. Ach, was schreibe ich da? Es war kein Traum, es war Realität, es war scheiße. Es ist nichts mehr zu retten. Ich bin nicht mehr zu retten. Maya scheint so unendlich weit weg zu sein, dass nicht mal ein Neutronenmikroskop mir helfen könnte auch nur noch einen winzig kleinen Blick auf ihr wunderschönes Lächeln zu erhaschen. Alles was mir bleiben wird sind die Erinnerungen an unsere gemeinsame Zeit. Erinnerungen an das was andere wohl Liebe nennen würden. Liebe. Nie hätte ich geglaubt, dass es so etwas wirklich gibt. Ich war immer felsenfest davon überzeugt, dass die Menschen, die an Liebe glauben einfach nur schwach sind.  Nun bin ich genauso schwach, wie all die Idioten dort draußen, die sich auf dieses zerstörerische Unglück Liebe eingelassen haben. Dabei hat alles so gut angefangen. Alles passte perfekt zusammen. Jetzt passt nichts mehr, vor mir liegt dieser unendlich große Scherbenhaufen. Ein Versuch ihn wieder halbwegs zusammen zu setzen scheint sinnlos. Aussichtslos. Diesmal ist Ikarus wohl zu nah an die Sonne heran geflogen und hat sich ordentlich die Flügel verbrannt.  Das war es wohl erst einmal mit dem Fliegen. Es hat sich ausgeflogen. Ich bin richtig auf die Fresse geflogen. Bruchlandung kann man das nicht mehr nennen. Das war ein Absturz ins Bodenlose, mit einem Aufprall der sich gewaschen hat. Dieser fucking Max Herre von wegen, „fühlt sich wie fliegen an, sowas muss Liebe sein.“ Ich würde dem Spasten gerne mal zeigen wie Liebe sich  anfühlt. Und „Flugzeuge im Bauch“, welcher Schwächling denkt sich so einen Mist aus. Wissen die nicht, wie verheerend Flugzeugabstürze sind. Da bleibt nichts mehr von einem übrig. Es ist viel sicherer am Boden zu bleiben. Wie konnte ich mich darauf einlassen? Warum war ich so blind? Warum war ich so schwach? Die Maya-Airlines hat nun eine Absturzquote von einhundert Prozent. Scheiße, wenn man der einzige Passagier ist. Und Schuld an dem Absturz hat ihr neuer Kapitän. Captain Arno. Der Wichser hat sich vermutlich gemütlich von seinem Fallschirm nach unten tragen lassen und ist direkt in Mayas Bett gelandet. Kein Wunder, dass das Ding abgestürzt ist, die Räucherstäbchen in seinem Cockpit haben Maya wahrscheinlich so die Sinne vernebelt, dass ein Absturz unausweichlich war. Irgendwann wird auch sie auf den Boden der Tatsachen zurückkehren und merken, was für ein Bruchpilot ihr Captain Arno wirklich ist. Mir wird es nur leider nicht mehr helfen. Ich bin längst abgestürzt.  Genau wie letzte Nacht. Dabei wollte ich einfach nur feiern gehen. Mich endlich von den Ketten befreien und mal wieder Spaß haben. Ich habe mir ordentlich Mut angetrunken und bin im Eden gelandet, um dort von der kostbaren Frucht der Versuchung zu naschen. Ein Ort der Sünde. Eden ist ein Laden in dem Cougers jagt auf junge Männer machen. Ich dachte es wäre gut, wenn die erste Frau nach Maya ihr möglichst unähnlich ist. Ich wollte Maya für eine Nacht vergessen. Vielleicht wollte ich auch einfach verstehen, was Arno wohl hat, was ich nicht habe. Ich wollte verstehen, ob es wirklich die Erfahrung ist, die so reizvoll zu sein scheint. Ich weiß es war dumm. Nachher ist man immer schlauer. Naja, zumindest bin ich ziemlich schnell auf mein williges Objekt der Begierde gestoßen. Ich weiß nicht mehr wie sie heißt, dafür war ich zu betrunken. Sagen wir, Mrs. Robinson, dass finde ich passend. Sie war DIE Reinkarnation von Stiflers Mum, eine Milf, wie sie im Buche steht; wollüstige rote Lippen, blonde lange Haare und unglaublich straffe, große Brüste. Ich hätte nie gedacht, dass die Dinger in dem Alter noch so prall sein können. Jetzt weiß ich es besser. Aber das tut auch nichts zur Sache. Ich weiß nicht mehr worüber wir geredet haben. Ich weiß nur, dass ich in ihrem Bett gelandet bin. Das weiße Hemd, das ich trug hat sie mir buchstäblich vom Leib gerissen. Ich habe mit einer 45 jährigen Frau geschlafen. Nein. Eigentlich hat sie mit mir geschlafen. Nein. Eigentlich hat sie mich gefickt. Sie hat mich nach allen Regeln der Kunst vernascht und Dinge von mir verlangt von denen ich noch nie gehört hatte. Ich meine ich bin 25 und habe mit Sicherheit schon den einen oder anderen schlechte Film gesehen, aber das was ich gestern Nacht gesehen habe, war mir neu.  Ich habe mich dabei nicht gut gefühlt, ich habe mich um ehrlich zu sein ziemlich dreckig gefühlt. Ich habe daran gedacht, wie es mit Maya war. Ich habe mich daran erinnert, wie sie sich auf die Unterlippe gebissen hat, wenn ich nur in Boxershorts bekleidet durch ihr Zimmer lief. Ich wusste, dass sie das mag. Sie fand mich mal sexy. Sie hat es irgendwann einmal genossen mich zu sehen. Jetzt schaut sie mich nicht einmal mehr an. Oh Gott, wie ich ihre zarte, so unendlich gut riechende Haut vermisse und wie sehr ich mich nach den Berührungen ihrer schönen Hände auf meinem Körper sehne. Sie roch immer nach Sonne und Strand, das Parfum, dass sie trug hat sie von ihrer Freundin Jill zum Geburtstag geschenkt bekommen. Ich habe das Gefühl, dass ich es heute noch rieche, wenn ich tief einatme. Ich will den Gedanken daran niemals verlieren. Es macht mich glücklich. Nein. Es hat mich glücklich gemacht. Ich kann kein Glück mehr spüren. Es scheint als sei alles Glück der Welt mit mir auf dem Boden zerschellt. Der Fehler den ich gestern Nacht begannen habe, war nicht mit dieser Fremden alten Frau zu schlafen. Der Fehler daran war, dabei an Maya zu denken. Ich habe mich nach der Nummer aus dem Staub gemacht. Ich habe mich schlecht gefühlt. Ich habe aus irgendeinem Grund das Gefühl gehabt, eine große Sünde begangen zu haben. Maya betrogen zu haben. Mein Gewissen riss mein Herz in Stücke, meine Seele brannte wie das Höllenfeuer.  Ich hatte das Bedürfnis es Maya sagen zu müssen, ihr zu sagen, dass sie die Einzige ist und ich bereue daran gezweifelt zu haben. Es war so als würde ich ihr gehören. Ich habe sie angerufen, ich habe ihr Nachrichten geschrieben um es ihr mitzuteilen, aber sie hat nicht geantwortet. Natürlich hat sie nicht geantwortet. Es war Mitten in der Nacht. Darüber habe ich in dem Moment nicht nachgedacht, ich redete mir ein, dass ihr vielleicht etwas zugestoßen ist. Ich hatte die völlig kranke Vorstellung davon, dass ich sie retten müsste. Retten aus den Fängen des fiesen Captain Arno. So betrunken wie gestern Nacht war ich noch nie. Ok, vielleicht an meinem 16ten Geburtstag, aber da habe ich mich so heftig eingekotzt, dass ich garantiert kein Telefon mehr hätte benutzen können. Geschweige denn davon zu träumen, Sex zu haben oder den edlen Ritter zu spielen. Wie ich das in diesem Zustand gestern hinbekommen habe, begreif ich genauso wenig, wie ich es verstehe warum ich verdammt nochmal zu Mayas Wohnung fahren konnte?! Fuck. Ich habe Sturm geklingelt und als endlich jemand die Tür öffnete Stand der Schlappenträger Captain Motherfucking Arno vor mir. In einem Nachthemd. Der Typ trägt Nachthemd. Alter. Diese Situation war filmreif. Der völlig betrunkene Ritter Ikarus Joern Cougerficker steht Auge in Auge mit seinem größten Feind, Captain Schlappenträger Arno, und der Typ trägt ein Nachthemd. Scheiße. Ich weiß nicht mehr was ich gesagt habe, ich glaub ich hab geheult. Ich hab ihn wahrscheinlich beleidigt. Aber als dann plötzlich Maya vor mir stand und mich mit diesen kühlen, kalten grauschimmernden Augen ansah, da blieb mein Herz stehen. Das einzige, was ich in dieser Situation sagen konnte war; „ Maya. Maya. Der Typ trägt Nachthemd.“ Hätte ich nur etwas anderes gesagt. Ihr meine Liebe gestanden und ihr ein für alle Male geschworen, sie wie eine Prinzessin zu behandeln, ihr jeden Wunsch zu erfüllen. Hätte ich ihr nur sagen können, dass ich nur Architekt werden will um ihr ein Schloss aus Träumen zu bauen, dass wäre zwar ziemlich weichlich, aber wahrhaft ritterlich gewesen. Stattdessen, sage ich:  Der Typ trägt Nachthemd. Wie dumm von mir. Aus der Bude der beiden roch es so dermaßen nach Räucherstäbchen und esoterischen Ölen, dass mir die Kombination aus Sturztrunk und Rauchschwaden wohl so heftig zugesetzt hat, dass dabei nichts rum kommen konnte.  Sie sagte nur, „ Joern, verpiss dich“ und schloss die Tür. Jetzt wo ich die ganze Scheiße aufgeschrieben habe, kann ich schon etwas darüber lachen. Wer hätte gedacht, dass mir so ein schwules Tagebuch, mal wirklich helfen könnte. Ich bin jetzt einfach zu müde um  noch weiter über die Sache mit Maya nachzudenken. Sie ist weg. Einfach weg. Wenn man ihre Augen gesehen hätte, dann würde man es verstehen. Ich werde jetzt schlafen, vielleicht sieht die Welt morgen schon ganz anders aus. Nacht liebes, schwules Tagebuch. Fuck. Bin ich eine Heulsuse.

Donnerstag, 14. März 2013

Stormy Weather



Es ist gütig von Ihnen, mein hochverehrter Freund, mein [einjähriges] Stillschweigen zu übersehen und so an mich zu schreiben. Es ist mehr als gütig, Ihrer Besorgnis um mich, Ihrer Befremdung über die geistige Starrnis, in der ich Ihnen zu versinken scheine, den Ausdruck der Leichtigkeit und des Scherzes zu geben, den nur große Menschen, die von der Gefährlichkeit des Lebens durchdrungen und dennoch nicht entmutigt sind, in ihrer Gewalt haben.
Bei dieser Einleitung handelt es sich um den Beginn des sogenannten Chandos Briefes, welcher der fiktive Lord während er sich in einer Sinnkrise befindet an seinen Mentor Francis Bacon richtet. Ich habe dieses Textzitat bewusst gewählt, da es mich nun schon seit einigen Jahren begleitet. Ich hielt es in meiner Zeit am Kolleg zum ersten Mal in den Händen und fand sofort Gefallen daran. Es ist ein äußerst anspruchsvoller Text in dem wie ich finde viel Wahrheit steckt. Es war die Antwort auf diesen Brief, die mir das Land NRW als Abituraufgabe stellte. Im Nachhinein gestehe ich mir ein, dass ich mich bei meiner Auswahl wohl für die schwerste Abituraufgabe entschied, dennoch entsprach sie meinem Wunsch nach einer echten Herausforderung. Dieses Stichwort möchte ich festhalten: Herausforderung. Für den lieben Lord Chandos war es wohl die größte  Herausforderung endlich aus einer Phase der Unproduktivität, seiner Schaffenskrise, herauszutreten um seinen Worten wieder einen Sinn zu geben. Meine Herausforderung so scheint es mir liegt darin aus dem Strom der Welt meinen Charakter zu bilden. Es sind Gedankenstrome die meinen Kopf durchfluten und meine Sinne lähmen. Ich schaue in den Spiegel und erkenne mein Gesicht, jedoch bleibt das Gefühl, nicht zu wissen wer dieser junge Mann eigentlich ist. „Es bildet ein Talent sich in der Stille, sich ein Charakter durch den Strom der Welt“, schießt mir durch den Kopf. Dieser Strom der Welt hat mich mitgerissen und fortgetrieben. Immer wieder tauche ich kurz auf, atme tief durch, hole Luft. Bevor meine Atmung sich beruhigt, werde ich wieder heruntergedrückt und weitergetrieben. Weiter hinaus. Immer weiter hinaus. Es ist nicht die Angst vor dem Ertrinken, die meinen Körper durchströmt. Es ist die Angst mein Bewusstsein zu verlieren und am falschen Ort aufzuwachen. Es ist die Erfahrung die mich gelehrt hat, dass jeder neue Ort, jeder beeindruckende Ort, jeder noch so sichere Ort irgendwann einen Teil seiner Schönheit und Anziehungskraft verliert und mich zurück in die Wellen treibt. Metaphorisch lässt sich dieses wohl mit einer Art Flaschenpost vergleichen, dessen Brief an jedem Ort inhaltlich einen neuen Abschnitt erhält. Dieser Brief ist mein Gefühl der Unvollständigkeit. Eine Unvollständigkeit dessen Lücken nicht einfach durch Tinte und Feder zu füllen sind. Es sind Erfahrungen. Ich musste bedauernswerterweise feststellen, dass das ständige Treiben in den unendlichen Fluten meiner Gedanken auch seine Opfer zu verzeichnen hat. Jeder Mensch, der sich nicht für unsterblich hält weiß welch ungeheure Kräfte in den Elementen des Lebens stecken. Ein Mensch, der in den Fluten gefangen ist, wird es kaum schaffen aus eigener Kraft wieder an das rettende Ufer zu gelangen. Er verhält sich ebenso wie die Flaschenpost, die wie ein Spielball auf den Wellen tanzt. Die einzige Möglichkeit nicht ein Opfer der Wellen zu werden ist es, sich von den unberechenbaren Fluten fern zu halten oder nur so weit die Füße in das Wasser zu halten, wie man sicher gehen kann, dass keine Gefahr besteht. Wer sich jedoch einmal herausgetraut hat, wird festgestellt haben, dass dieser Tanz auf den Wellen und in dem Strom der Welt den Geist wie ein Sprung ins kalte Nass aus seinen Träumen reißt. Man entwickelt ein neues Bewusstsein für seine Umwelt, man wird aufmerksamer und versucht einen Rhythmus zu finden, der sich den Wellen anpasst um nicht unterzugehen, um vielleicht doch noch das sichere Ufer zu erreichen. Es mag paradox klingen, doch scheiterten schon viele auf ihrer Suche nach dem Sinn des Lebens, weil sie die Macht der Fluten unterschätzten. So mag es keinen Zweifel daran geben, dass man bei vollem Bewusstsein und Hingabe in dem rhythmischen Treiben, dem Sinn des Lebens viel näher kommt. Steckt nicht eine erschreckende Wahrheit darin festzustellen, dass ein perfekt geplanter Weg auch in die Gegenrichtung, eine Sackgasse oder ins Leere führen kann. Die Gegenrichtung oder der falsche Weg ist die Angst, der viele dazu veranlasst ihr sicheres Ufer nicht zu verlassen oder ihrem schmalen Pfad zu folgen. Doch woher soll man wissen was am Ende des Horizontes zu finden ist, wenn man selbst nie dort gewesen ist. Es mögen nicht immer schöne Dinge sein, die man sieht, aber man erlöst sich ein Stück weit von dem Gefühl der Unvollkommenheit. Man stelle sich einmal vor, was woSl in dem Finder des Briefes in der Flaschenpost vorginge, wenn dieses Schriftstück nur aus einer Einleitung und einem Ende bestünde. Ihr werdet mir sicher Recht geben, dass der Brief ihm unvollkommen vorkommen würde. Heute führe ich zu meinen Brief einen neuen Abschnitt hinzu.
Zum ersten Mal haben mich die stürmischen Fluten in das Reich der Mitte getrieben. Einem Neuankömmling gönnt Shanghai keine Sekunde zum Verschnaufen. Ich tauche auf und werde sofort von der nächsten Welle erfasst. „Hinaus aufs Meer“ lautet die deutsche Übersetzung des Namens Shanghai.  Hinaus aufs Meer, hinein die Fluten. Sie ist eine Stadt, die niemals schläft. Shanghai scheint auch in der Nacht taghell zu sein. Ich kann nicht erkennen, ob es die tausenden Lichter sind oder die brennende Sehnsucht einer aufstrebenden Industriemetropole nach Macht ist, die die Stadt erhellt. Ich selbst werde von der Stadt angezogen, wie eine Mücke vom Licht. Sie erstrahlt in ihrem prächtigen Glanz und pulverisiert mit ihrem überirdischen Leuchten all meine Erinnerungen an andere Städte in Lichtgeschwindigkeit. Sie ist laut und schmutzig, doch das ist mir egal, denn der Blick ist steht‘s nach oben gerichtet und der Lärm erklingt beim Anblick der Skyline wie ein imposantes Musikstück. Sie bietet mehr als ein jeder sich erträumen könnte. Ihre Euphorie und positive Unruhe sind ansteckend und ziehen mich in einen Sog. Hier zu sein fühlt sich an als sei man in einem kreisenden Strudel gefangen, der keinem die Chance gibt zu entrinnen. Der Facettenreichtum dieser Stadt verspricht viele Abenteuer und unendliche Weiten. Es sind 23 Mio. Menschen, die auf dem Schiff Shanghai Platz gefunden haben. Arm und Reich findet man hier auf einem Deck zusammengepfercht gemeinsam „hinaus aufs Meer“ treibend. Wie eine Arche wirkt die große Stadt, denn in ihr scheint jeder einen Platz zu finden. Es dauert nicht lange um zu begreifen, dass die Überheblichkeit, die viele Europäer ausstrahlen hier keinen Platz  hat. Einfach unter geht. Hier bist du einer von vielen. Hier beginnt der Eisberg Europa in seiner kühlen, massiven, Jahrtausende alte, die Weltmeere beherrschenden Form zu schmelzen. Längst laufen europäische Firmen wie Wasser durch die Hände ihrer Besitzer und nähren den trockenen Boden Chinas. Viele halten sich winselnd am Rande der übermächtig wirkenden Arche fest um nicht unter zu gehen. Längst haben sich die Mutigen von den Wellen mitreißen lassen, sie haben verstanden, dass gegen den Strom zu schwimmen kraftraubend ist und heute treiben sie andächtig im Rhythmus des chinesischen Meeres. Ihre Andacht gilt den Wasserscheuen, den armen Seelen, die auf dem Eisberg Europa verharren bis sie irgendwann sang und klanglos untergehen. Natürlich ist die Kapazität der chinesischen Arche auch begrenzt. Die Luft wird irgendwann eng und auch die Arche China wird im dichten Nebel untergehen. Nur bei vollem Bewusstsein erkennt man, dass dies auch nur ein Abschnitt ist, dessen Lücken mit Erfahrungen zu füllen sind. Mit dem Strom zu schwimmen, ist eine Aussage, die sehr negativ belastet ist, aber steckt in diesem Satz nicht auch das Potential an etwas Großem teilzunehmen. Erst wenn man alle Grenzen überwindet und sich in den Fluten der Weltmeere treiben lässt beginnt man zu verstehen, dass mit dem Strom zu schwimmen nicht heißen muss, ein Mitläufer zu sein. Du hast die Möglichkeit ein Mitgestalter, ein Mitarbeiter, ein Mitmensch zu sein. Was ist nun falsch daran mit dem Strom zu schwimmen um etwas zu verändern. Diese Ströme verbinden uns mit den Häfen der ganzen Welt, wir müssen uns nur dazu überwinden gemeinsam in eine Richtung zu treiben. Auch wenn dies bedeutet sich zu erheben um vom Eisberg Europa in die kalten Fluten zu springen um vielleicht doch einen neuen Platz unter unserer gemeinsamen Sonne zu finden. Bevor ich noch weiter in die Gefilde eines Weltverbesserers abdrifte und weiter von einer heilen Welt träume, möchte ich darauf aufmerksam machen, was mir wirklich wichtig ist. Es ist Toleranz. Zum einen spreche ich von der Toleranz sich selbst gegenüber, das heißt sich Fehler einzugestehen und ehrlich mit sich selbst zu sein und zum anderem die Toleranz seinen Mitmenschen gegenüber, denn nicht jeder will ein Mitgestalter oder Mitmacher sein. Vor allem sollte man den Menschen ihre Träume lassen, der Versuch anderen Völkern eine neue Identität aufzuzwingen ist hier der absolut falsche Ansatz, denn solang der Horizont noch sichtbar ist, gibt es auch für die Allwissenden neue Dinge zu erfahren. Ich bin froh, dass ich mich öffnen konnte und diese Flut an neuem Wissen in meinen Kopf habe einfließen lassen, denn nun weiß ich in welchem Rhythmus sich die chinesische See bewegt. Im Prinzip unterscheiden sich die Chinesen kaum von uns denn wenn sie in den Spiegel schauen, dann sehen sie auch oft jemanden, den sie kennen, aber von dem sie nicht genau wissen wer er eigentlich ist. Zu denken, dass man weiß wem man gegenüber steht, bedeutet nicht zu wissen wem man gegenüber steht. Es kann ebenso gut dein Spiegelbild sein, welches dir auf eine gewisse Weise fremd erscheint. So gilt dies auch für das intransparente Reich der Mitte auf das alle ihre Blicke richten. Zu denken, dass man weiß, wie das Leben in China ist, bedeutet nicht zu wissen wie das Leben in China ist. Die Herausforderung China, bildet nun einen neuen Absatz in meinem Brief. Ein Dokument, dessen Lücken ich durch neue Erfahrungen zu füllen versuche um nicht wie Lord Chandos in meinen Sinnkrisen zu verharren. Der Sprung ins kalte Nass ist für mich wie ein Rausch, der meine Sinne bis ins unermessliche sensibilisiert und mich oft mit einer Rastlosigkeit und Gedankenflut erfüllt, in der ich oft zu ertrinken drohe und mit dessen Handhabung ich lernen muss umzugehen. Doch ich weiss, dass es in der Ferne diesen einen Stern gibt, der schon seit Jahrhunderten die Seefahrer durch die Weltmeere lotst und sie alle sicher nach Hause gefuehrt hat . So sagte ich es schon vor einem Jahr, Freunde sind wie Sterne, man sieht sie nicht immer, aber man weiß das sie da sind.

Liebes Tagebuch, Teil 1

Für Nina, da du das Buch bestimmt schon wieder verschlungen hast.


Wie beginnt man so etwas? Muss ich dir erklären wer ich bin? Ich meine, ich will das Ding ja nicht veröffentlichen und ich will auch auf keinen Fall, dass jemand darin liest. Ich muss nur einfach mal ein paar Dinge loswerden. Ich meine Gefühle und so. Ich bin halt ein Mann und meine Gefühle gehen keinen etwas an. Vielleicht hilft mir das ganze ja, meine Gedanken etwas zu ordnen oder um zu verstehen, was eigentlich mit mir los ist?! Tagebuch schreiben, wie schwul. Machen doch eigentlich nur kleine Mädchen, oder? Bestimmt gibt es auch erwachsene Männer, die Tagebuch geschrieben haben. T-A-G-E-B-U-C-H. Ich finde es jetzt schon scheiße. Wie fange ich an? Vielleicht mit den berühmten W-Fragen. Wer? Wann? Was? Wie? Warum? 
Mh, wer ist klar? Ich. Joern, 25, Architekturstudent. Wann? Wie, wann? Na jetzt. Die Frage passt irgendwie nicht. Egal, weiter. Was? Ich schreibe über meine intimsten Gedanken. Uhh, wie mysteriös. Was ein Schwachsinn. Wie? Mit dem Computer. Warum? Ich mag eine Frau und verstehe nicht wieso. Na und weil meine Ma gesagt hat, dass ich statt alle mit meiner schlechten Laune zu nerven mal mit jemandem reden sollte. Da hab ich aber kein Bock drauf, das ist doch schwul. Darf man in einem Tagebuch, böse Wörter schreiben? Muss ich auf Rechtschreibung achten? Im Prinzip ist es doch egal, liest ja eh keiner. Und was wenn doch? Dann soll er denken, was er will. Ich bezweifle gerade, dass mir das irgendwie helfen soll, oder kann. Naja, vielleicht sollte ich anfangen darüber schreiben, was mich wirklich belastet, statt mich hier mit irgendwelchen Förmlichkeiten aufzuhalten. Das Problem ist nämlich, dass ich mich auf gar nichts mehr konzentrieren kann und mein Studium leidet schon darunter, das nervt mich. Also es geht um Maya. Ja, was lässt sich über Maya sagen.  Sie ist ziemlich klein, hat dunkle Haare, also braune Locken, blaue Augen und eine ziemlich niedliche Stupsnase. Ich kenne sie schon ziemlich lang. Obwohl ich eigentlich nicht weiß, ob ich sie wirklich kenne. Sie ist für mich wie ein Buch mit sieben Siegeln. Sie bringt mich zur Weißglut und vielleicht hasse ich sie sogar, aber irgendwas hat sie an sich, was mich schwach werden lässt. Ich meine so richtig schwach, als würde mein ganzer Körper in sich zusammen fallen. Sie hat mich um den Finger gewickelt und ich bin ihr verfallen, obwohl ich wie ein Loewe dagegen gekämpft habe, dass es nicht so weit kommt. Sie hat mich verwundbar gemacht, sie hat mir eine Welt gezeigt, die unendlich weit von der Realität entfernt zu sein scheint. Ich fühle mich durch sie manchmal krank, obwohl ich nicht krank bin und im nächsten Moment bin ich so von Glück überströmt, dass ich die ganze Welt umarmen könnte. Das schlimmste ist, ich kann ihr nicht böse sein. Ich habe einfach die Kontrolle über mich selbst verloren. Sechs Monate waren wir zusammen. Vermutlich die ereignisreichsten und intensivsten sechs Monate meines Lebens. Diese Zeit hat viel in mir bewegt und mich sehr verändert. Wirklich sehr verändert. Alter, ich schreibe Tagebuch. Ich war doch früher nicht so sensibel. Also um zu verstehen, warum ich so schlecht drauf bin, muss man im Prinzip nicht viel über die ganze Sache wissen. Eigentlich reicht ein Name aus um die ganze Situation zu erklären. Arno. Mayas Neuer. Arno ist 38 fucking Jahre alt. 15 Jahre älter als sie. Ich habe den Typen einmal kurz gesehen, nicht mal mit ihm gesprochen, aber ich hasse ihn. Arno sieht einfach aus wie ein alter Mann. Er ist so ein Öko-Typ, der sogar mit Schlappen zur Arbeit geht.  Ich weiß nicht was Maya an ihm findet. Warum er? Er ist ganz anders als ich. War ich von Anfang an nicht ihr Typ, hat sie mich doch nur verarscht? Ich hätte alles für sie getan und jetzt tut sie mir so etwas an. Mir ist schlecht. Mein Magen zieht sich zusammen und ich spüre wieder dieses Stechen in der Brust. Ich bin total verkrampft. Ich will zu Maya, ich will in ihren Armen liegen. Ich will wieder mit ihr zusammen sein. Ich weiß, dass macht keinen Sinn, weil sie mir so viel Leid zugefügt hat, aber ich will nur sie. Jetzt höre ich mich wirklich an wie ein kleines Mädchen. Alter, und ich schreibe Tagebuch. Ich weiß, dass ich mit Sicherheit auch viel falsch gemacht habe, ich war Eifersüchtig und habe manchmal echt übertrieben reagiert, wenn sie mal wieder mit irgendeinem Typen gequatscht hat, aber in diesen Momenten konnte ich es einfach nicht unterdrücken. Es war wie ein brennen, ich wollte nicht, dass sie jemand anderen kennenlernt, der vielleicht besser, grösser, schlauer oder stärker als ich ist. Ich wollte sie für mich und wollte, dass sie weiß, dass ich auch nur ihr gehör. Ich höre mich an wie ein Stalker. Fuck. Was hast du mit mir gemacht? Oh man, wenn ich das zusammenfasse, dann klingt das noch viel schlimmer, ich schreibe Tagebuch, bin schlecht drauf, heule rum wie ein kleines Mädchen und bin ein Stalker. Oh mein Gott, wenn jetzt noch Tokio Hotel im Radio läuft, dann laufe ich wahrscheinlich wirklich durch den Monsun. Jetzt weiß ich, was meine Ma meint, wenn sie sagt, dass ich nerve. Ich bin ein 14 jähriges, pubertierendes, kleines Stalkermädchen. Harte Erkenntnis. Ich muss schleunigst etwas ändern. Ich muss Maya vergessen. Nur wie mache ich das? Ich muss wieder Spaß haben? Nur wie mache ich das? Ich brauche Frauen und Alkohol. Viele Frauen und viel Alkohol. Das passt gar nicht zu dem nervigen kleinen Stalkermädchen, vielleicht bin ich ja doch noch ein Mann. Danke, schwules Tagebuch :D Ich melde mich mal die Tage, wie es gelaufen ist.