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Montag, 22. April 2013

Liebes liebe Tagebuch, Teil 4

gewidmet: Allen Rosengärten.


Es ist wieder soweit. Zum Glück kannst du mir liebes Tagebuch keine Standpauken halten. Natürlich gab es Gründe warum ich ein paar Wochen nichts geschrieben habe. Oft ist es ja so, dass man Dinge wie ein Tagebuch zu schreiben vernachlässigt, wenn es einem gut geht. Mir ging es auch gut und das kam ziemlich überraschend. Ich war abgelenkt, gut drauf und hatte wirklich ziemlich viel Spaß. Der Grund dafür wie könnte es anders sein... war eine Frau. Und was für eine. Sie hatte diese bezaubernde Art, die mich von Anfang an tierisch anzog. Ich lernte sie in einer Bar kennen, ja. In der Godzilla Bar. Das klingt nach Action und Hollywood, und genau das war es auch. Sie war gerade 20, hatte strahlend große blaue Augen und ein Lächeln zum verlieben. Als ich sie zum ersten Mal ansprach schien sie ziemlich reserviert und abgeneigt. Das war wie ein Tritt in die Weichteile, denn das hatte ich nicht erwartet, denn sie schien sympathisch, herzlich und offen, nur mir gegenüber war sie anders. Vielleicht bemerkte sie an meiner Ausstrahlung, dass mir die Sache mit Maya immer noch ziemlich nahe ging. Es schien als könnte sie mich lesen. Wirklich geheimnisvoll. Ihre Aura war magisch, in ihrer Nähe fühlte ich mich trotz unseres Altersunterschiedes irgendwie verloren. Hätte sie etwas von mir verlangt, ich hätte es ohne weiteres getan. Ich weiß nicht warum und wenn ich das so schreibe klingt es auch irgendwie weichlich, aber so war es, obwohl ich sie nicht kannte. Es war anders. Es war neu und extrem reizvoll. Vor allem reizte mich ihre spürbare Abneigung, nein Abneigung will ich es nicht nennen, sagen wir ihre Zurückweisung. Als ich nach ihrem Namen fragte schoss mir ein verachtungsvoller Blick entgegen. Ich erstarrte kurz. Dann floss er wie süßer Nektar durch ihre roten Lippen, die sich dabei zu einer kunstvollen Blüte formten. Ro - sa - lie. Wow. Früher hätte ich über so einen Namen gelacht, doch in diesem Moment war es für mich der schönste Name auf Erden. "Was guckste denn so blöd, wohl noch nie ein Mädchen mit dem Namen Rosalie getroffen, wa?!", bölkte mir ihre Freundin entgegen. Alter, darauf war ich gar nicht gefasst, wo kam die denn her und warum zum Teufel spricht die so mit mir. Zu der zurückhaltend schönen Venus, die ihr entzückendes Lächeln noch hinter einem Feigenblatt versteckte kam nun der Endgegner, der bekämpft werden musste, um die Prinzessin zu befreien. Der Endgegner hieß Heike. Man. Wo soll ich anfangen? Heike war kein zartes Pflänzlein! Nein, ganz und gar nicht. Heike war, wie sagte mein Opa immer so schön: " Ein Kerl, wie unser Omma." Heike war nicht nur unglaublich stark, Heike hätte auch locker zehn Kiezkneipen auf einmal bewirten können. Ich war total perplex und entschuldigte mich höflich, aber Heike lachte nur, kloppte mir fest auf die Schulter und sagte: " Ach, kein Ding mein Kleiner, dat wird schon." Ich hatte keinen Schimmer, was das zu bedeuten hat. Naja, wie dem auch sei. Das Gespräch zwischen mir und Rosalie war eher semiexistent, also eigentlich war ich nach dem Schulterklopfer ziemlich eingeschüchtert und wusste nicht so recht wie ich mit der Situation umgehen soll. Ich meine, wer legt sich schon gerne mit Godzilla´s Frau in seiner eigenen Kneipe an. Ein gutes hatte der Abend, ich bekam Rosalies Nummer und so eröffnete sich für mich eine neue Tür.
Vier verdammte Woche musste ich ausharren, bis Salie (so durfte ich sie mittlerweile nennen) mir die Chance auf ein Date gab. Erst dort fiel mir auf, dass das arme Geschöpf nicht zurückweisend war, sie war scheu. Sie war so lieb und unsicher auf den Beinen wie ein junges Reh. Natürlich wollte sie sich nichts anmerken lassen, aber ich durchschaute es ziemlich schnell. Mittlerweile verstehe ich auch, warum sie so wenig sagte, sie hatte einfach nichts zu erzählen, was mich irgendwie hätte beeindrucken können. Das soll jetzt nicht negativ klingen und auch nicht arrogant, ich empfinde es eher als spannend, denn so wird eine Frau schon fast zu einer Staffelei und der Mann zum Künstler. Andersrum kann es natürlich genauso sein. Zumindest bei mir.
Verstehen muss man dies so. Die Dame für die dein Herz in diesem Augenblick gerade schlägt, ist ein Kunstwerk, sie ist einzigartig, sie ist ein Meisterwerk, ihre Projektionsfläche ist audiovisuell. Oh man.
Dort findet die Kreativität im ersten Moment keine Grenzen. Reizüberflutung pur. Du wagst dich also an dieses Skulptur der Liebe heran und fängst an sie zu betrachten. Jeder der das Gefühl schon einmal erlebt hat von einem Bild, einer Situation, einem Meerblick, Sonnenuntergang, Feuerwerk oder einer Person beeindruckt worden zu sein, wird dies verstehen. Man möchte diesen Moment aufsaugen, aufnehmen, erleben. Der Unterschied ist nun, du wirst zum Künstler. Gemeint ist hier keine optische Veränderung, ich rede von einer viel größeren Bildfläche, ich spreche von der Fantasie, von der Seele und den Gedanken. Du setzt quasi das um, wofür wir Menschen gemacht sind. Zum teilen.
Du teilst mit dieser Person deine Gedanken, deine Gefühle, deine Ideen, deine Erinnerungen und das Ergebnis spiegelt sich auf der anderen Seite wieder. Dein Kunstwerk bekommt Farbe, wenn du mit deinen Worten etwas erreichst, wenn sich dein Gegenüber öffnet und es zulässt neue Nuancen aufzunehmen. Das nennt man kennenlernen oder einander erfahren. Klingt bei mir irgendwie, wie Kunstunterricht. Manchmal ist es leider so, dass auch ein Bild, für welches man Stunde um Stunde geopfert hat kein Meisterwerk wird. Das ist tragisch, aber es ist leider so. Man kann sich an solchen Stücken festbeißen, daran festhalten und hoffen, aber ich bin mir sicher, dass ein wahres Kunstwerk seinen Betrachter jeden Tag wieder neu erfreut und vielleicht sogar erheitert neue Nuancen hinzuzugeben, und so unendlich wird. Jetzt bin ich völlig abgeschweift, aber inhaltlich war das gerade quasi eine Zusammenfassung der Beziehung zwischen Salie und mir. Ich habe meine Rolle als Künstler in der ganzen Sache wohl etwas zu Ernst genommen, denn egal wie sehr ich versuche mich daran zu erinnern, was ihre eindrucksvollste Geschichte war, es kommt einfach nichts. Naja, bis auf die eine, aber die haben wir zusammen erlebt und auf die komme ich gleich auch noch zu sprechen. Sie ist nämlich der eigentliche Grund warum, ich wieder zum Tagebuch greifen musste, um meine Gedanken zu sortieren. Also Salie war eines dieser Kunstwerke, das keine Geschichte erzählen konnte, es war zwar schön und für den Betrachter eindrucksvoll, aber für mich fehlte das gewisse Etwas. Vielleicht ist fehlen hier auch das falsche Wort, aber das gewisse Etwas war es schon, was mich zur Aufgabe bewegt hat.
Also bis zu einem gewissen Zeitpunkt lief alles ganz gut. Ich redete, sie hörte zu. Wir trafen uns fast täglich, meist in ihrer kleinen Einzimmerwohnung. Sie wohnte ganz in meiner Nähe, aber ich empfand es als unangenehm sie Nachts noch allein mit dem Rad durch die Stadt zu jagen, also waren wir nur bei mir, wenn ich mal ganz faul war. So ging das mehrere Monate. Sie schlief immer so süß in meinen Armen ein, genau wie ich es mag, oder mit dem Kopf auf meiner Brust. Auch der Sex war gut, wir fanden nach und nach unseren Rhythmus und ich bekam nicht genug von ihr. Sie war sexy, roch so gut und ihr Körper war buchstäblich wie gemalt. Verführerisch war sie nicht, vielleicht einfach zu unerfahren. Ich fühlte mich wohl und bis dahin fiel mir auch noch nicht auf, dass ich seit Wochen Monologe führte. Ich höre mir eben gern zu. Es änderte sich alles, als sie plötzlich ausziehen musste. Sie zog zu ihrem Vater, der war meist eh nicht da, dieser verbrachte wohl jede Nacht bei seiner neuen Freundin. Salie erzählte nie viel über ihre Familie, sie sagte nur das ihr Dad ein Freigeist sei. Was auch immer das heißt?! Also jetzt weiß ich es, aber ich würde das nicht unbedingt als Freigeist bezeichnen. Wie dem auch sei, es kam zu einer besonders spektakulären Nacht, wo ich doch eben von Hollywood und Action gesprochen hatte. Ich kann vor weg nehmen, dass die Worte von Salies Freundin Heike ("Das wird schon") wohl von Anfang an als Aufmunterung zu verstehen waren. Es geschah folgendes. Ich blieb über Nacht bei Salie, in der Wohnung ihres Vaters, der Typ schien irgendwie orientalisch angehaucht zu sein oder so, aber das störte mich auch nicht, da er eh nicht da war. Naja, bis zu der besagten Nacht. Ich stand unter der Dusche, als sich plötzlich die Tür öffnete, dass ist ja im Prinzip nichts schlimmes, da man davon hätte ausgehen können, das Salie den Raum betritt. Es war ja auch nichts anderes zu Erwarten. Ich fragte sie ob sie mir mal schnell das Handtuch reichen könne, leider war der Duschvorhang so dicht, dass ich nicht sehen konnte wer wirklich vor mir stand. Auch, das " Ja,klar." als Antwort klang vertraut. Vertraut war es wirklich, denn die Dame, die mir statt Salie das Handtuch reichte, war MAYA. Fuck. Ich blickte am Vorhang vorbei und sah in ihre wundervollen Augen, die sich in Binnen von Sekunden in diese kalten grauen Schlitze verwandelten. Die Erinnerung an diesen Moment ist immer noch sehr verschwommen. Ich weiß nur, was sie sagte und das war wie immer sehr eindrucksvoll. " Du perverses Schwein, nur weil ich dich nicht will, vögelst du jetzt Arno´s Tochter. Du willst ihm damit nur eins auswischen, du mieser Penner. Ich hätte nie, nie hätte ich gedacht, dass du so krank bist." Sekunden später stand Motherfuckingschlappenträger Arno vor mir. Vor MIR, MIR dem Daughterfuckingsunburned Prinz Ikarus-Joern.
Unser zweites Aufeinandertreffen. Diesmal war ich nüchtern, diesmal hätte ich es ihm zeigen können, diesmal war er scheinbar unbewaffnet und eigentlich hätte ich ihm diesmal wirklich eins reinwürgen können. Wäre ich diesmal nicht völlig nackt gewesen. Das Handtuch, was mir Maya gegeben hat, war gerade groß genug um mir damit das Gesicht abzutrocknen. Das schlimmste an der ganzen Sache war Arno´s Reaktion. Ich weiß den genauen Wortlaut nicht mehr, aber er sagte in etwa soetwas wie, ach hi, wir kennen uns doch, cool, dann bist du also der neue Freund von meiner kleinen Rose. Meine kleine Rose. Deeeine kleeeine Rose will ich mir gar nicht vorstellen. Böh, Kopfkino. Man war das krank, wie kann ich nur immer wieder in solche Situationen geraten. Maya hörte nicht auf mich zu beleidigen, Rosenpapa Arno überhörte das und führte beinahe Freudentänze auf und war kurz davor für uns alle Kaffee zu kochen, damit wir uns wie alte Freunde mal zusammen setzen können.
Ich musste da raus. Mir blieb nichts anderes übrig. Zum Glück lagen mein Handy und mein Schlüssel wie immer auf der Kommode neben der Tür. Ich schnappte mir ein Bündel Kleidung und rannte aus der Bude, dabei stieß ich den Alten Mann versehentlich so hart zur Seite, dass er vornüber stolperte und mit dem Augen in eines seiner Räucherstäbchen fiel, es blieb nicht stecken, keine Sorge, aber es muss weh getan haben. Er schrie wie eine kleine Prinzessin. AU. Ich griff nach meinen Sachen und rannte in die Nacht. Immer noch nackt. In einer dunklen Ecke zog das an, was ich in der Eile im Bad gefunden hatte. Und. Ihr werdet es nicht glauben. Es war ein Nachthemd. Es war ein Nachthemd. Es war Mayafucking- Smokeyeye Arno´s Nachthemd. Welch Ironie des Schicksals und welch köstliches Bild, nicht verwunderlich warum ich mir dieses eindrucksvolle Gemälde nicht jeden Tag hab anschauen wollen. Natürlich war kurz darauf auch mit Salie Schluss. Ich meine wenn man allein bedenkt, dass ich mit Arno´s kleinen Rose Sex hatte.
So liebes liebe Tagebuch. Kann das Liebe sein?