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Dienstag, 27. März 2012

Zeiten aendern dich!

Weit weg von Zuhaus, im Landeanflug in eine neue Welt bietet sich mir ein unbeschreibliches Bild. Blitz und Donner setzen die leuchtende Skyline von Perth in Szene. Die unsanfte Landung bestätigt mir,dass dies kein Traum ist. Ich bin angekommen.
Abgeholt vom Terminal und raus in die Nacht. Es ist windig und warm. Auf dem Weg nach Haus gibt es viel zu erzählen. Als wir ankommen, falle ich ins Bett. Am Morgen packe ich meine Laufschuhe aus, um die Umgebung zu erkunden. Lake Monger. Alles ist anders. Autos, auf der falschen Straßenseite. Schwäne nicht weiß, sondern schwarz. Um acht Uhr Morgens, achtundzwanzig Grad. Die Sprache, nicht zu vergessen. Es passiert so viel, die ersten Tage vergehen wie im Flug.
Am ersten Wochenende fahre ich campen. Das Auto vollgepackt, der Blick aus dem Fenster gerichtet. Es gibt so viel zu sehen und ich will nichts verpassen. Unser Ziel. Nangara Falls. Mitten im Bush, fernab von der Realität. Die Straßen werden von schwarzem Teer zu rotem Sand. Ich öffne die Autotür und werde überflutet von neuen Eindrücken. Die Gerüche. Die Geräusche. Die Umgebung. Wir bleiben vier Tage im Camp. Ich sehe Schlange und Spinnen, schwimme in einem See im australischen Outback. Unglaublich. Ich höre interessante Geschichten und lerne täglich tolle Leute kennen. Ich denke aber auch daran, wie gerne ich diese Erfahrungen mit meiner Familie und meinen Freunden teilen würde.
Zurück in Perth. In den nächsten Tagen erkunde ich die Stadt, wander durch den Kings Park und genieße die schöne Aussicht vom War Memorial, von dem man die ganze Stadt sehen kann. Außerdem helfe ich Martina im TennisClub. Abends fahre ich zum City Beach, leichte Seebrise, kaum Wellengang und wunderschöner Sandstrand. Ich genieße jede Sekunde.
Es gibt aber auch Momente in denen man sich unwahrscheinlich einsam fühlt, in denen man gern zuhause auf dem Sofa sitzen würde um seiner Familie von seinen Erlebnissen zu berichten. Man ist umgeben von mehr oder weniger Fremden, von fremden Kulturen und fremden Marotten. Es dauert aber nicht lang und man ist ein Teil dieses Netzwerks. Man gehört dazu.
Ich gebe mir selbst vier Wochen um mich einzugewohnen, um richtig anzukommen. Dazu gehört das Campen, der Strand und genauso die Stadt. Außerdem fahre ich hoch in den Norden um mir ein Naturereignis von ganz besonderem Seltenheitswert anzuschauen. Die Pinnacles. Eine Mondlandschaft. Man könnte leicht in seinen Gedanken abdriften und denken, dass man auf einen anderen Planeten ist. Doch da ist der Bus voller Asiaten, der das Bild etwas verzerrt.  Der Weg zurück führt uns durch faszinierende Sanddünen, die wir mit dem Bus durchqueren. Im Wildlife Park wird halt gemacht. Wer hätte gedacht, dass mir mal Kangaroos aus der Hand fressen und das Koalabären 22 Stunden am Tag schlafen? Ein langer Tag, doch nur ein kleiner Teil vom großen Abenteuer.
Der nächste Trip führt mich nach Magarete River. Ich nehme an einer Weinprobe teil und bekomme eine Führung durch eine der seltenen Tropfsteinhöhlen. Am Cape Leuwin kann ich dann völlig abschalten und alles um mich herum vergessen. Es ist der Ort am dem der Indian Ocean und der Southern Ocean in einanderfließen.  Eins werden. Es ist windig und einsam, aber einer der schönsten Orte, die ich bis jetzt gesehen habe. Wir halten am Busselton Beach und ich frage mich ob die Schönheit überhaupt noch ein Ende findet. Momente, Augenblicke und Eindrücke, die ich nie vergessen werde.
Im  Februar fängt das Leben an. Ich beginne meinen Englischkurs am Central TAFE in Perth. Vier Tage die Woche fünf Stunden Englisch. Warum ich das mache? - Im Gegensatz zu den Backpackern mit dem Working Holliday Visa geht es mir nicht darum möglichst das ganze Land zu sehen oder nie länger als ein paar Tage an einem Ort zu bleiben, um frei zu sein. Ich bin frei. Meine Gedanken sind frei. Ich will die Sprache lernen, ich will das Leben kennenlernen und am Leben in einer Großstadt teilhaben. Großstadt. Bevor ich mich zu diesem Leben entschieden habe, war das Leben in der Paderborner Innenstadt schon ein Ereignis für mich. Um richtig verstehen zu können, was sich nun alles ändert, fange ich ganz klein an. Sande. Einwohner, grob geschätzt vielleicht 5000. Perth. 1,5 Millionen. Je  größer die Stadt, desto kleiner der Wohnraum. Mein Zimmer schrumpft und auch vom eigenen Bad ist keine Spur. Der Fernseher ist gerade halb so groß wie der in meinem Zimmer und in der Küche haben zwei Leute Platz. Vom eigenen Auto, steige ich auf öffentliche Verkehrsmittel um. Größte Umstellung. Die Sprache. Klar man lernt Englisch in der Schule und ich würde nicht sagen, dass ich gerade ein schlechter Schüler war, aber was jetzt auf dich zu kommt ist anders. Erstens, man lernt in der Schule keine bösen Wörter, dass heißt man versteht schonmal so gut wie keinen Witz. Der Vorteil, anrantzer werden ignoriert, nicht weil man der Klügere ist und nachgibt, nein, weil man es nicht versteht. Zweitens, man hat nicht den Vorteil, den Asiaten oder dunkelhäutige Leidensgenossen haben, dass dein Gegenüber mit Bedacht Englisch spricht. Nein, ich sehe aus wie ein Australier und mit mir wird auch so gesprochen. „Hey mate, how ya doin´?“ Ich kenn dich zwar nicht,aber.. „ I´m fine.Thank you.”  „What are you up to?“  Gute Frage, was ist „Up to?“  Es dauert ein paar Tage um zu verstehen, dass es zur australischen Mentalität gehört auch zu Fremden freundlich zu sein. Ich meine ich komme aus Ostwestfalen, wenn einer von der Seite ankommt, den man nicht kennt und sagt: „Na Kumpel, alles klar? Was machste so?“ , dann antworte ich mich Sicherheit nicht, „ Mir gehts gut. Ich fahre jetzt mit meinen Eltern in den Zoo. Danke der Nachfrage.“ Ich guck den Typen blöd an und gehe weiter. Frage mich dann im Nachhinein, „ Was war mit dem denn los?“ und fasse das ganze als versuchte Provokation auf.  Das heißt für mich, ich muss das mit dem blöd gucken abschalten und einfach eine freundliche Antwort geben. Garnicht so leicht. Aber wie gesagt, ich bin hier nicht der einzige mit dem Problem. Die Leute, denen es auch so geht lerne ich im Englischkurs kennen. Ich bin der einzige Deutsche. Alles was man in dieser Klasse über Deutschland weiß ist, „ Wir haben oder hatten Nazi´s bzw. Hitler, wir machen die besten Bratwürste und das beste Bier der Welt, nicht zu vergessen unsere Autos und wir retten im Moment jeden in der Eurozone vor dem Bankrott“. Oft gehörte Frage. „ Welche Sprache spricht man in Deutschland?“ Puhh, soll ich ehrlich antworten? - Nein. Ich antworte, wie man mich kennt, „Japanese“ mit einem ironischen Lachen. Natürlich versteht den Witz keiner und darauf folgt die Gegenfrage, „Au, really?“ Ich muss also ehrlich sein. Ich antworte, nein wir sprechen deutsch. Ich bin jetzt in Woche sieben und so langsam versteht man meinen Humor. Für viele ist Perth Ruhe und Entspannung, 90 % meiner Klassenkameraden kommen aus Städten mit mehr als 5 Millionen Einwohnern. Bogota, Sao Paulo, Hong Kong, Shanghai. Und Marc, aus Sande. Auch wenn ich ernst antworte, kommt immer die gleiche Gegenfrage. „Really!?“  - „How do you know?“ ist die Lieblingsfrage meiner chinesischen Klassenkameraden, wenn ich Antworten zur Weltgeschichte oder zu aktuellen Weltpolitik gebe. Ich antworte natürlich nicht mehr in meiner typisch ironischen Art und sage, dass ich Zeitung lesen kann und, dass es Internet gibt, in dem man ganz viel nachlesen kann. Ich antworte, dass  ich das in der Schule gelernt habe. Und wisst ihr was? Wenn man jetzt in der Klasse fragt, „was wisst ihr über Deutschland?“ Dann ist die erste Antwort, hervorragende Schulbildung und viele intelligente Menschen. Das Ganze soll nicht überheblich oder arrogant Klingen, aber ich weiß, dass das Bild von den Deutschen in den letzten Jahrhundert wohl nie zu den Besten gehört hat und ich die Möglichkeit habe, zumindest in meinem Umfeld das Licht auf andere Dinge zu werfen, als auf Nazis und Bratwürste. Ich höre mir die Geschichten meiner Klassenkameraden genau an, versuche alles aufzusaugen und zu verarbeiten. Jede dieser Geschichten ist faszinierender als die Andere und schnell bin ich auch jemand geworden, der „Really?!“ fragt. Man lernt wie man mit unterschiedlichen Nationen umzugehen hat und das erweitert meinen Horizont ungemein. Schnell gewinnt man neue Freunde und ist an jedem Tag gespannt, was es neues zu entdecken gibt. Aus einer kleinen Welt, wird auf einmal eine Große. Nicht nur in der Schule lernt man Neues. Ich lerne kochen und waschen. Dinge, die zum Luxus in meinem vorherigen Leben gehört haben und die ich nun noch mehr zu schätzen weiß. Ich arbeite Seite an Seite mit Australiern und füge mich ein in die Gesellschaft. Nur mein Akzent ist das, was  mich von anderen unterscheidet. Was ich damit sagen will ist, dass man nie leugnen sollte woher man kommt, vorallem wenn man stolz darauf ist. Wenn ich zurückblicke, hat mich der kleine Ort aus dem ich komme doch sehr gut auf das Leben in der großen, weiten Welt vorbereitet. Dabei darf man aber nicht vergessen, dass vorallem die Unterstützung von Familie und Freunden einem die Sicherheit und das Gefühl gibt, dass man alles schaffen kann. Familie und Freunde sind wie Sterne, man sieht sie nicht immer, aber man weiß, dass sie da sind. Ich bin immer für euch da.

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